Tagebuch einer ver-rückten Zeit

Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 3

Nora Mittelstädt, 14. Oktober 2021

Seit mein Wecker kaputt ist – und das ist er schon ziemlich lange – benutze ich mein Handy als Zeitanzeige am Bett. Ich weiß, dass ist alles andere als gesund. Aber bequem. Bei allem, was an Gerüchten (gerne auch Verschwörungstheorien genannt, ich denke, es sind eher Verschwörungspraktiken) im Umlauf ist, sollte man sich öfter, am besten ziemlich oft von seinem Handy fernhalten. Ich lege zwar den Flugmodus ein, um mich vor schädlicher Strahlung zu schützen – aber ehrlich, mir fehlen komplett die physikalischen Kenntnisse, um einschätzen zu können, ob das wirklich etwas bringt. Irgendwie sollen die Dinger trotzdem ortbar sein und wer weiß, was noch alles …

Sei es wie es sei, mein größtes Problem ist das Aufwachen am Morgen. Denn jedes Mal – selbst, wenn ich die Weckfunktion nicht eingestellt habe, erwacht auch mein Handy. Um mir zu sagen, wie spät es ist. Damit jedoch begnügt es sich nicht. Kaum habe ich es wieder beiseitegelegt, telepathiert es mir, ich möge es wieder an mich nehmen und meine Nachrichten checken. Jeden Morgen aufs Neue kämpfe ich gegen diese Autosuggestion an. Manchmal beginnt der Kampf in meinem Inneren sogar schon am Abend. Ich weiß nicht, ob ich ihn schon jemals gewonnen habe. Manchmal gelingt es mir längere Zeit den hypnotisierenden Wellen zu wiederstehen, aber meist ergebe ich mich schnell.

Heute sehr schnell.

Gestern vor dem Einschlafen hatte ich noch Sonja und Almuth telegrammiert. Nun war ich gespannt auf ihre Antworten. Und insgeheim natürlich auch auf alle weiteren Nachrichten, die auf mich warteten. Von Freunden, mit denen ich seit mehr als einem Jahr täglich die neuesten Informationen tausche.

Die wichtigste heute war: https://corona-reframed.de

CORONA FAKTEN & FRAGEN
Ein Handout für sachliche Informationen, Diskussionen & Aufarbeitung  

GEFÄHRLICHKEIT
82 Jahre Altersmedian der COVID-Verstorbenen99.94 % der Weltbevölkerung haben Corona überlebt. Stand: 16.9.21 3 % der Todesfälle in Deutschland 2020 standen im Zusammenhang mit Corona
Trotz Pandemie gab es 2020 keine Übersterblichkeit

“Bei der Analyse der Übersterblichkeit in Deutschland muss beachtet werden, dass die deutsche Bevölkerung immer älter wird” – Prof. Dr. Göran Kauermann, LMU München

Sterbezahlen Deutschland 1. – 39. Woche
Todesfälle nach Krankheit
0.027 TOTE pro Tag bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren bei Verdachtsfallmeldung nach der Impfung (Impfzulassung 31.05.2021)
0.021 TOTE pro Tag bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren mit COVID-19 (seit 09. März 2020)
Stand: 21.09.2021

Hospitalisierte COVID-19 Fälle nach Alter der Gesamtbevölkerung KW 10 – 53/2020 und KW 01 – 36/2021 (Deutschland)
GESUNDHEITSSYSTEM

67% Krankenhaus  BETTENAUSLASTUNG im Jahr 2020
71 JAHRE Durchschnittsalter COVID-19-Patienten im Krankenhaus

Krankenhaus BETTENBELEGUNG im Jahr 2020 für: 400.000 Mitarbeiter in Kliniken und Praxen wurde 2020 Kurzarbeit beantragt 2 % der belegten Intensivbetten in der letzten Septemberwoche 2020 waren COVID-19 Fälle7 % waren es im selben Zeitraum 2021

Hospitalisierte COVID-19 Patienten
KW 36 – 3937 % der Hospitalisierten in KW 36-39 in 2021 fallen in die Kategorie „Impfstatus unbekannt; symptomlos“
89% der Corona-Fälle im Krankenhaus ungeimpft
Zahlreiche Kliniken führen vor stationären Aufenthalten Corona-Abstriche bei ALLEN Patienten durch. Unabhängig, ob diese wegen Corona im Krankenhaus sind. Ausgenommen von den Tests sind GEIMPFTE. Aufgrund der trügerischen Hospitalisierungsraten des RKI wird die Lage systematisch unterschätzt

Hospitalisierungsinzidenz
Anzahl der Hospitalisierten aufgrund von fehlerhaften Zahlen zu hoch

PCR-TEST
Der PCR-Test kann nur nachweisen, ob bestimmte, sehr kleine Virus-RNA-Abschnitte vorhanden sind. Ob eine Infektion vorliegt, ist durch ein positives PCR Testergebnis alleine nicht bewiesen.

Ansteckungsfähiges Virus
Nicht-ansteckungsfähiges Virus
Erkrankte Person
Nicht-Erkrankte Person

Wer geht in welche Corona Statistik ein?
Allgemeine Statistik
Positiver PCR-Test (unabhängig von Impfstatus und Symptomatik)  
9439 Fälle = 100%  aller Fälle in KW 36-39 in 2021
Statistik Impfdurchbrüche
Positiver PCR-Test MIT Symptomatik & Angabe zum Impfstatus 5908 Fälle = 63%  aller Fälle in KW 36-39 in 2021
20- 30 % der COVID-19-Patienten sind nicht wegen Corona im Krankenhaus, sondern wurden dort zufällig positiv getestet

CT-WERT
Der CT Wert ist die Anzahl der Vervielfätigungsdurchläufe beim PCR Test. Ein hoher CT-Wert weist also auf eine niedrige Viruslast in der Probe hin. Untersuchungen des Robert Koch-Instituts haben gezeigt, dass Coronaviren ab einem CT-Wert von 30 nicht mehr im Labor vermehrt werden können. Das spricht auch gegen eine Ansteckungsgefahr durch die Person, von der die Probe stammt.90%der positiven Tests mit einer Zyklusschwelle von 40 (Ct-Wert) wären bei einem Ct-Wert von 30 negativ.80%Juli & August 2021 der CORONA-TODESFÄLLE (PCR-positiv) sind an anderen Ursachen gestorben

IMMUNITÄT
Geimpft
Definition: In den ersten 14 Tagen nach der vollständigen Impfung zählt ein Geimpfter als Ungeimpfter
Impfung verhindert Corona Infektion zu 39% Impfung verhindert schwere Erkrankung zu 85% Bei geimpften Personen sanken die Antikörpertiter in jedem Folgemonat um bis zu 40%

IMPFUNG

US-Arzneimittelbehörde FDA ist gegen eine Auffrischungsimpfung für alle, da noch nicht klar sei, wie lange der Immunschutz der Impfung tatsächlich hält und welche Risiken die Impfung hat

36.-39. Kalenderwoche: 
53 % der symptomatische COVID-19-Fälle über 60 Jahre sind geimpft
37 % der hospitalisierten COVID-19-Fälle über 60 Jahre sind geimpft
33 % der verstorbenen COVID-19-Fällen über 60 Jahre waren geimpft

ÜBERTRAGUNG
Man kann das Virus trotz Impfung übertragen

„Der Übertragungsschutz geht nach zwei Monaten sowieso flöten […] Für die Gesamtgesellschaft, wo man sagen muss, wir können diese Übertragung mit dieser Impfung sowieso nicht verhindern, wir können sie gering verringern.“
Christian Drosten Virologe

0.15 % Verdachtsfälle von Nebenwirkungen bei Impfungen
0.015 % Verdachtsfälle von schweren Nebenwirkungen bei Impfungen
0.0014 % Verdachtsfälle von Todesfällen bei Impfungen

Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und Nebenwirkungen
(alle Impfungen)19 -mal höhere Wahrscheinlichkeit von Herzmuskelentzündung nach Impfung als normale Rate bei Kindern im Alter von 12 bis 15 Jahren
Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung: „Mehr als doppelt so hohes Risiko wie bei ungeimpften Personen“
Israelische Studie
mit 5 Millionenen Geimpften

Der Impfstoff von Moderna wird aufgrund von Nebenwirkungen in Island gar nicht mehr eingesetzt
Schweden, Finland, Norwegen und Dänemark setzen den Impfstoff nicht mehr bei jüngeren Menschen ein
Impfschutz bei Johnson & Johnson „ungenügend“. Empfehlung einer zweiten Impfung

STIKO
Genesen
Immmunität verhindert erneute Corona Infektion zu 83% Immunität verhindert schwere Erkrankung zu 92% Bei genesenen Personen sanken die Antikörpertiter in jedem Folgemonat um weniger als 5%
8 -fach geringeres Risiko einer Hospitalisierung bei Genesenen gegenüber Geimpften

Ungeimpft
Natürliche Immunität/Kreuzimmunität35%der gesunden Blutspender hatten bereits Abwehrzellen, obwohl sie keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 hatten und deren Immunsystem deshalb noch keinen Kontakt zum neuen Pandemie-Virus hatte. Die vorhandene Kreuzimmunität entstand durch frühere Erkältungen

2G
Wer zurzeit noch nicht geimpft ist, zeigt sich unbeeindruckt von aktuellen Maßnahmen wie 2G oder kostenpflichtigen Tests.

Erstimpfungen pro Woche
Ein Vergleich (eine Untersuchung der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC)
Geimpft
70 % haben sich angesteckt
89 % haben sich angesteckt, bei denen die Impfung älter als 4 Monate war
Ungeimpft
93 % haben sich angesteckt

VIRUSLAST
Nach einer Ansteckung sind Geimpfte genauso ansteckend wie Ungeimpfte, allerdings für eine kürzere Zeit

CORONA-MAßNAHMEN
WIE WIRKSAM DIE MASSNAHMEN IM EINZELNEN SIND, WEISS DIE REGIERUNG NICHT. DAS ERGAB EINE ANFRAGE DER FDP-BUNDESTAGSFRAKTION IM JULI 2021. ES SEI „DIE SUMME DER SCHUTZMASSNAHMEN“, DIE INFEKTIONEN SINKEN LASSEN WÜRDEN
2020 gibt es in Deutschland keine Untersuchungen zu nicht-pharmakologischen Maßnahmen (NPI) , etwa wie sich das Virus verbreitet und wie hilfreich einschneidende Regelungen sind

Insgesamt gibt es nach wie vor wenig belastbare Evidenz, dass NPIs bei COVID-19 tatsächlich zu einer Verringerung der Gesamtmortalität führen. Eine rezente Analyse von Daten aus 149 Ländern zeigte eine relative Reduktion der COVID-19-Inzidenz um nur 13%. Aus der Studie lässt sich aber nicht ableiten, ob der Rückgang nicht auch ohne Maßnahmen eingetreten wäre

LONG-COVID
Long-COVID-Symptome aller Erkrankten (3-6 Monate nach der Infektion):

Angst/Depression 15.49
Magen-Darm-Probleme 8.29
Atembeschwerden 7.94%
Andere Schmerzen 7.19%
Müdigkeit 5.87%
Brust-/Halsschmerzen 5.71%
Kopfschmerzen 4.63%
Konzentrationsprobleme 3.95
Muskelschmerz 1.54%

Long-COVID  – Long-COVID ist seltener als befürchtet
3 % der positiv getesteten Personen hatten mindestens eines der Symptome für mindestens drei Monate nach der Infektion
0.5 % der negativ getesteten Personen hatten mindestens eines der Symptome für mindestens drei Monate nach der Infektion

KINDER  
Long Covid bei Kindern und Jugendlichen etwa gleich häufig mit und ohne Infektion

Long-COVID ist „übertrieben“ und viele Menschen, die glauben, sie hätten es, leiden tatsächlich an etwas Anderem.
Professor Sir John Bell Universität Oxford

Frauen, 50- bis 69-Jährige und Menschen mit Vorerkrankungen leiden am häufigsten 12 Wochen nach einer Covid-Infektion unter den Symptomen

Long-COVID Symptome – KINDER
ÜBERTRAGUNG
Erwachsene übertragen das Virus häufiger auf Kinder als umgekehrt
Kinder sind keine Pandemietreiber
-8 % Übersterblichkeit 2020 bei den 0-14 Jährigen
Schulen sind keine Pandemietreiber

KOLLATERALSCHÄDEN
130.000.000 zusätzlich akut vom Hungertod bedrohte Menschen durch die Pandemie
80.000.000 Kinder unter 1, die von Krankheiten wie Diphtherie, Masern und Polio aufgrund von fehlender Impfungen durch die Auswirkungen der Pandemie bedroht sind
200.000 potenzielle zusätzliche Totgeburten infolge von Störungen des Gesundheitssystems durch die Pandemie
44% Zuwachs wegen Belastungsstörungen bei Kindern & Jugendlichen bis 17 Jahre
33% der Kinder sind psychisch auffallend während der Pandemie

VERGLEICHE
Jährliche Todesfälle
0.86 % PASSIVRAUCHER
13% Raucher
3% COVID-19

Jährliche Krankenhauspatienten
458.000 Krankenhauspatienten 2019 raucherspezifische Erkrankung
172.248 Krankenhausbehandlungen* 2020 COVID-19
*Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um Fälle, nicht Personen handelt, da verlegte Patienten entsprechend mehrfach zählen

„Wir können das Coronavirus jetzt mit der Grippe vergleichen“
Norwegische Gesundheitsbehörde FHI
66% Impfquote Stand: 25.09.2021
Norwegen hebt am 25.09.2021 alle Maßnahmen auf

„COVID-19: Keine Herdenimmunität durch Impfung erreicht“
Isländischer Chefepidemiologen Þórólfur Guðnason
74% Impfquote – Stand: 03.08.2021

Herdenimmunität muss durch Übertragung des Virus erreicht werden
„Die Pandemie ist unter Kontrolle“
Dänischer Gesundheitsminister Magnus Heunicke

74% Impfquote  – Stand: 10.09.2021

Dänemark hebt am 10.09.2021 alle Maßnahmen auf
Covid-Passports (3G) verboten, da die Maßnahme diskriminierend ist und die Privatsphäre der Spanier verletzt

Spanischer oberster Gerichtshof
63% Impfquote Stand: 12.08.2021
In Spanien gelten bereits seit dem Ende des Lockdowns im Frühjahr nur noch wenige Corona-Beschränkungen

„Es wird niemals den perfekten Zeitpunkt geben, diesen Schritt zu gehen, weil wir dieses Virus nicht auslöschen können“
Britischer Gesundheitsminister Sajid Javid
53% Impfquote Stand: 19.07.2021
England hebt am 19.07.2021 alle Maßnahmen auf

KRITISCHE FRAGEN

„Solange nicht wissenschaftlich sicher belegt ist, dass die Impfung auch vor einer Weitergabe des Virus schützt, kommt eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften gegenüber Nicht-Geimpften nicht in Frage.“
Christine Lambrecht Justizministerin

Warum wurde entgegen der wissenschaftlichen Erkenntnis dennoch eine 3G (und teils 2G) Regelung eingeführt?

„Wenn wir jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht haben, dann können wir zur Normalität in allen Bereichen zurückkehren. […] Und alle Einschränkungen fallen.“ Allerdings unter zwei Bedingungen: „Die Impfstoffhersteller halten ihre Lieferversprechen ein. Und es taucht keine Mutante auf, die den ganzen Impferfolg infrage stellt“
Helge Braun Kanzleramtschef

Ist die Impfung doch nicht so erfolgreich, wie es dargestellt wird oder gibt es einen anderen Grund, weshalb wir nicht zur Normalität zurückkehren?

„Als Genesenenausweis ist ein positiver PCR-Test für 6 Monate gültig. Die Durchführung eines Antikörpertests reicht nicht aus, um als genesene Person zu gelten.“
Bundesregierung

Aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Lage ergeben sich 2 zentrale Fragen:
1. Warum sind Genesene Ungeimpfte Genesenen Geimpften gegenüber rechtlich schlechter gestellt (Art. 3 Abs. 1 GG) und können mithilfe des digitalen Impfausweises einen wesentlichen Teil ihrer Freiheitsrechte (Art. 2 Abs. 1 GG) nur sechs Monate (Geimpfte 12 Monate) lang zurückerhalten und danach wieder nachhaltigen Beschränkungen unterworfen werden?

2. Warum reicht ein Antikörpertest laut Rechtsverordnung nicht aus?
Impfdurchbruch = positiver PCR-Test MIT klinischen Symptomen bei vollständig geimpften Personen.
Robert-Koch-Institut

In den Kalenderwochen 36-39 waren laut RKI, 2585 Menschen über 60 Jahre mit COVID-19 hospitalisiert. 952 (36,8%) waren Personen mit Impfdurchbrüchen. Diese Zahlen stellen aufgrund der eingeschränkten Betrachtung (Impfstatus bekannt und symptomatisch) allerdings nur 63% aller Fälle dar.
Müsste man nicht, um die korrekte Anzahl von geimpften Hospitalisierten zu erfahren auch noch die Zahl der positiv getesteten Geimpften ohne Symptome hinzuzählen
?

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Ich muss aufhören, mein Nacken tut weh. Seit Tagen schon … mosert er. Eine Folge der Überinformation?

Tagebuch einer ver-rückten Zeit

Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 2

Nora Mittelstädt, 13. Oktober 2021

                                                                                                                                                  

Muss ich mich, wenn draußen die Sonne scheint, unbedingt nach draußen bewegen? Um dieser Frage aus dem Weg gehen zu können, hatte ich mir für unseren Kurzurlaub schlechtes Wetter gewünscht. Gestern erfüllte sich dieser Wunsch. Es regnete genau so lange, bis mich die Lust überkam, raus an die frische Luft zu gehen. Kaum waren wir zurück von unserem komischen Ausflug in die 3G regierte Ueckermünder Altstadt, trommelte es plötzlich wieder auf die Dachfenster. Heute nun scheint die Sonne. Bis 15 Uhr dürfen wir in „unserem“ Häuschen bleiben. Jetzt ist es 11.15 Uhr. Ich zähle die Stunden und rechne, was wir in dieser Zeit noch „schaffen“ wollen – an Erholung. Muss ich wirklich zum Strand? Die Sonne lockt. Ich liebe solche Herbsttage.

Seelenfutter

Mit ein wenig Mut kann man sein, wer man möchte.
Mit noch etwas mehr Mut, kann man sogar sein, wer man ist!  

Benno hat angerufen. Nach Monaten des Stillschweigens. Ich war schon in Sorge um ihn. Er fühlt sich so allein mit seiner Sicht. Im Juni starb sein Kumpel und Kollege, 49 Jahre, Triathlet in Folge der Impfung. Verbrieft. Es stand sogar in der Leipziger Volkszeitung. Nun will er uns besuchen kommen, um im Oberuckersee Zander zu angeln.

Seit zwei Wochen arbeitet er im Bundestag. Dort soll das gesamte Telefonleitungssystem rundumerneuert werden. Eigentlich dachte Benno, er wäre für diesen Job nicht qualifiziert. Er ist weder geimpft, noch genesen und will sich nicht ständig testen lassen. Aber denkste: „Im Bundestag“, verkündete er mir, „gilt keine 3G-Regel“.

Außerdem berichtete Benno, dass er im Bundestag nicht nur oberirdisch, sondern auch unterirdisch arbeite. Der Bundestag ist zweistöckig unterkellert und vertunnelt bis zum Dom. Am Brandenburger Tor auf Höhe des Adlon war Benno, so erzählte er, in zwei Räumen, die früher von der Stasi als Abwehr(zentrale?) genutzt wurden und komplett mit Kupfer verkleidet waren. Wahnsinn, was es alles gibt. Ich fragte, ob Benno irgendeine Verschwiegenheitsklausel oder etwas ähnliches unterschreiben musste. Nichts dergleichen.

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Wir sind wieder zu Hause.
Natürlich waren wir noch draußen, spazierten zum Strand.

Tagebuch einer ver-rückten Zeit

von Nora Mittelstädt und Freunden
12. Oktober 2021 – 2. Juni 2022

Nora, 12. Oktober 2021

Der Wahnsinn geht weiter. Oder fängt er jetzt erst richtig an? Ich habe beschlossen, einfach mal wesentlich genauer als bisher, festzuhalten, was alles passiert, welche Informationen mich erreichen, welche Absurditäten mir begegnen, auch welche Lichtblicke und was das alles mit mir macht, und was mir dazu durch den Kopf geht.

Ich beginne heute. Es ist der 12. Oktober 2021, Clara und ich urlauben für drei Tage in der „Göttin des Glücks“ in Vogelsang

16:24:
Clara sitzt in ihrer Koje und schreibt. Ich liege auf der Couch, die Wärmflasche im Rücken, angelehnt an zig Kissen, die meinen Kopf stützen. Es ist schwer ihn zu halten. Irgendetwas ist wieder mal ver-rückt. Vor zwei Wochen war ich beim Osteopathen, der mich zurechtgerückt hat, heute vor einer Woche bei meiner Chiropraktikerin und trotzdem laboriere ich schon wieder. Totale Anspannung. Verr-rücktsein. Dabei achte ich so auf Ent-spannung. Ich arbeite auf Sparflamme. Am Wochenende war ich gleich zwei Mal im Theater. Seit gestern bin ich mit Clara im Urlaub. Aber auch hier holt es uns ein.

Seit gestern gilt: keine kostenlosen Tests mehr. Die Zweiklassengesellschaft schreitet voran. Ganz unauffällig, ganz subtil. Wer nicht betroffen ist, bekommt es so gut wie nicht mit.

Sechs, sieben Wochen ist es her, dass Sophie mir versichert hat, dass sie, wenn es zum Ausschluss der Ungeimpften (ich finde ja, wenn wir das Personalisierte, den (ungeimpften) Menschen schon weglassen, sollte es, da wir uns bei allem sonstigen schon totgendern wenigstens UngeimpftInnen heißen) käme, die Erste wäre, die auf die Straße gehe. Das hat mich damals sehr bewegt, sehr gerührt. Ich habe sie in den Arm genommen, sie gedrückt und mich bedankt. Als ich ihr gestern nun sagte, dass es wohl bald soweit sei und sie auf die Straße müsse, war sie sehr verwundert. In ihrem Umfeld bekommt sie nichts mit. In ihrer Klasse sind mehrere Mitschüler nicht geimpft. Das sei, sagt sie, gar kein Problem. Die Tests gäbe es für diese ungeimpften Schüler kostenfrei. Auch JETZT noch? Sophie nimmt es an, weiß es aber nicht. Ich empfahl ihr, sich zu erkundigen.

Gerade erst am Abend zuvor hatte Sonja mir erzählt, dass der Sohn einer ihrer Kursteilnehmer vermutlich nicht mehr studieren könne, weil er sich, ungeimpft zwei oder sogar drei Mal die Woche testen müsse. Der Test kostet jeweils 19,90€. Das sind rund 60€ die Woche. Welcher Student kann sich das leisten. Katrin aus K. erzählte mir von einer befreundeten Patientin, die genau aus diesem Grunde ganz verzweifelt war. Inzwischen hätten sie jedoch einen Arzt gefunden, der der Patientin eine Impfunfähigkeit bescheinigt habe.

Sophie ist sehr skeptisch. Am besten wäre es, man vermittelt ihr mal ein Gespräch mit Betroffenen. Immer wieder mal wird mir vorgeworfen, ich lebte in meiner Blase. Die andere Blase existiert auf alle Fälle auch. Für meinen Podcast möchte ich gerne mit Menschen aus beiden „Blasen“ – ich will mich gar nicht auf diese Begriffe einlassen – also Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen ins Gespräch kommen. Ich fürchte, das wird schwierig werden. Ein ganz großes Misstrauen scheint im Raum zu stehen – der Corona-Ausschuss hat Drosten, Lauterbach und ich weiß nicht, wen noch, eingeladen, um Fragen zu klären, ich glaube, es kamen nicht mal Absagen. Auch für die Aktion „Alles auf den Tisch“ waren Anfragen rausgegangen an „MainstreamFachleute, die nicht reagiert, nicht mal abgesagt haben.

Es geht ein Riss durch die Gesellschaft … Bisher ließ er sich irgendwie ignorieren. Aber jetzt? Clara wollte hier im Urlaub gerne zum Friseur. Ich hatte meine Befürchtung, sagte aber nichts, sondern suchte im Netz und fand zwei Läden, die super Bewertungen hatte. Ich versuchte anzurufen. Wir sind hier im polnischen Netz. Es funktionierte nicht. Also probierten wir es auf gut Glück. Favorit Nummer Eins schied schnell aus. Es gelten, so stand es im Schaufenster, die 3G-Regeln. Favorit Nummer Zwei hatte nichts dergleichen am Eingang zu stehen. Durchs Fenster sahen wir drei Friseurinnen mit Maske, die an drei Kundinnen mit Maske herumschnippelten. Sollten wir uns ohne Maske (wir hatten nicht mal eine zur Not dabei) und ungetestet hineinwagen? Clara entschied: Nein! Auch in den Bäcker, der so lecker duftete, wagten wir uns nicht. Der Verkaufsraum war winzig und alle Kunden trugen Maske. Wir beschlossen Eis und Schlagsahne im Supermarkt zu kaufen und es uns „Zuhause“ gemütlich zu machen. „Hier habe ich irgendwie Schiß ohne Maske“, sagte Clara. In Prenzlau sei es echt was anderes. Genauso geht es mir auch. Aber irgendwer muss vorangehen, muss zeigen: So nicht! Nicht mit uns! Also waren wir doch noch einmal tapfer, selbstbewusst und freundlich – im DM, im Nahkauf und im Netto – und alle waren freundlich zu uns.

Inzwischen haben wir unser Eis genossen und genießen die schöne Wohnung und das EinfachNurSein! Herrlich.

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Matthias schickt mir ein Video von einem österreichischen Politiker, der sagt: „Es zahlen ja auch diejenigen, die nicht geimpft sind, den Impfstoff derer, die sich impfen lassen. Oder glaubt da jemand, dass das gratis ist, was da bisher angeschafft wurde. Und glaubt da irgendwer, dass die 42Millionen Dosen, die für das Jahr `22 und ´23 bestellt worden sind, ein Geschenk der Pharmaindustrie ist? Ich glaube, man muss im Zusammenhang mit dem Kostenargument eine ganz andere Frage stellen: Wie kommen alle Steuerzahler, also die geimpften wie die ungeimpften eigentlich dazu, den Pharmafirmen Milliarden an Gewinnen zu ermöglichen durch den Abkauf eines Produktes, wo wir jetzt wissen, dass das, was versprochen wurde, nicht funktioniert. Das ist im Normalfall ein Fall für eine Reklamation. … Bei uns wird nicht reklamiert, sondern nachbestellt. Wie kommen die Steuerzahler dazu, diesen ganzen Firlefanz mitzumachen und noch dazu, wie kommen die Steuerzahler dazu, …, letztendlich das gesamte Haftungsrisiko für Folgeschäden aus dieser ganzen Impferei, wo wir noch nicht wissen, was auf uns zukommen wird, das zu übernehmen. … Der überwiegende Teil derer, die schwere Krankheitsverläufe haben, sind Leute, die vollständig geimpft sind. Und das ist keine böse Propaganda von irgendwelchen Skeptikern an den Corona-Maßnahmen der österreichischen Regierung, sondern das ist die israelische Spitalstatistik. …“

Als ich das Video sehe, weiß ich nicht, dass der Politiker Herbert Kickl von der FPÖ ist. Die FPÖ ist mit Sicherheit nicht meine Partei. Aber was Kickl sagt, trifft den Nagel auf den Kopf!!! Man sollte nicht zuerst sehen, wer etwas sagt, sondern erst einmal hören, was er sagt!

Samstag war ich zum Regine Hildebrandt-Abend im Theater am Rand, Sonntag spielten Gundermanns Liedgefährten. Es war frappierend, wie sehr die Texte, sowohl von Regine Hildebrandt als auch von Gundermann, ins Heute passen. Wie würden diese beiden agieren, wenn sie noch lebten?

Ich werde demnächst zu einem Gundermann-Abend bei uns im Wohnzimmer einladen. Vielleicht kommt sogar Richard (A. d. Autorin: Regisseur des Dokumentarfilms). Das wäre schön.

17.28 Uhr Die Abendsonne lockt. Mal sehen, ob ich Clara aus ihrer Koje eisen kann.

Juli Zeh – Zwischen Welten

Juli Zeh – Zwischen Welten

„Moral in der Politik ist Scheiße“

Zwischen Freien Bauern

An Juli Zeh scheiden sich die Geister, die mich umgeben. Die einen feiern sie als eine, die sagt, was in diesem Land nicht stimmt, auch wenn sie es ihnen ein wenig zu sehr durch die Blume sagt.  Die anderen haben sie abgewählt, weil sie nicht klar Stellung bezieht, sondern eben nur durch die Blume spricht.
Juli Zehs Blumen sind ihre Bücher.

Als sein zweites „1984“ bezeichnet mein Freund Carlos Juli Zehs „Corpus Delicti“ – eine Dystopie aus dem Jahr 2009, in dem sie das, was 2020 mit Corona über uns gekommen ist, quasi vorwegnimmt.
Juli Zeh – eine Seherin? Wie George Orwell? Für Carlos definitiv.

Als ich ihm erzähle, dass ich Juli Zeh live erlebt habe, ist er ganz neidisch.
Warum habe ich ihm nicht Bescheid gesagt?
Carlos verrät mir, dass Juli Zeh dafür verantwortlich sei, dass ich heute noch mit ihm sprechen könne. Ihr „Corpus Delicti“, sagt er, habe ihn zurück ins Leben gebracht. Eineinhalb Jahre nach einer schweren Herzoperation, von der er sich nicht erholte und langsam aber sicher aus dem Leben verabschiedete. Ein Freund schenkte ihm in dieser (Lebensend)Phase „Corpus Delicti“. Carlos verschlang es – einmal, dann noch einmal und schließlich ein drittes Mal. Mit jedem Lesen kehrten immer mehr Lebensgeister in ihn zurück. Sein Orwellscher Blick – mit dem er seit der Lektüre von „1984“ erst durch die DDR und anschließend durch die sich erweiternde Welt gegangen war – erwachte wieder und wollte gefüttert werden.

Wenn ich das gewusst hätte? Natürlich hätte ich Carlos gefragt, ob er mitkommen wolle. Wie auch ich gefragt worden war, ob ich mitkommen wolle – zur Mitgliederversammlung der Freien Bauern Brandenburgs. Selbstverständlich wusste Claudia, meine Nachbarin und Lieblingsbäuerin, dass Juli Zeh mich überzeugen würde. Aber auch sonst war ich neugierig – auf diese mir doch so fremde Bauernwelt. Zwar lebe ich auf dem Land, plausche hier mit dem Schäfer, dort mit dem Rinderzüchter und beobachte fasziniert die Mähdrescher, aber eine Ahnung davon, wie es um unsere Bauern bestellt ist, was ihre Sorgen und Nöte sind, habe ich nicht. Was ich weiß, ist lediglich, dass sie große Sorgen und Nöte haben, dass die Bürokratie sie auffrisst und sie Angst haben müssen, von großen Konzernen verschluckt zu werden.

Vor einem Jahr waren sie deshalb auf der Straße – mit all ihrem schweren Gefährt. Mich bremsten sie damals aus. Ich war auf dem Weg, um Schulkindern das Hockeyspielen beizubringen. Plötzlich stockte der Verkehr. Nix ging mehr. Weder vor noch zurück. Die Hockeystunde fiel aus.  

Fremde vertraute Welt

Nun sitze ich zwischen genau jenen Bauern, die vor einem Jahr die Wege nach Berlin verstopften.
Es ist ein Eintauchen in eine mir bisher unbekannte Welt. Doch irgendwie ist sie mir auch vertraut. Der große festliche Saal. Die langen weißbetuchten Tische. Das Buffet. Die emsigen Kellner. Die Blaskappelle auf der Bühne. Das Entscheidende jedoch ist das freundliche, verbindende Miteinander.
Es erinnert mich tatsächlich an früher, an meine Kindheit, meine Kindheit in der DDR – als wir regelmäßig Hausgemeinschaftsfeste feierten, Straßenfeste, Vereinsfeste, an denen irgendwie alle mitwirkten, jeder seinen Beitrag leistete.  
Auch das gemeinsame Singen passt ins Damals. Lauthals schmettern wir die Brandenburghymne. Ich lese sie vom Zettel ab. Später im Fernsehen sehe ich, dass auch Juli Zeh am anderen Ende des Saals, mitgesungen hat.

Dann betritt sie die Bühne. Eine kleine zierliche Frau, die Reinhard Jung, der Geschäftsführer der Freien Bauern vorstellt – als eine Schriftstellerin, die kritische Themen anspricht und damit auch durchdringt.

Mit ihrem letzten Buch „Zwischen Welten“, einem Briefwechsel, den sie gemeinsam mit Simon Urban schrieb, machte sich Juli Zeh zur Sprecherin des Bauernstandes. Ich selbst stand dem Buch kritisch gegenüber, fand den Austausch zwischen der Milchbäuerin Theresa und dem Hamburger Journalisten Stefan zu konstruiert. Die Art und Weise, in der die beiden korrespondieren und sich immer wieder in ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen und Ansichten vor den Kopf stoßen, war mir so fremd, dass ich einen solch ausdauernden verbalen Schlagabtausch für völlig unrealistisch hielt. Freunde jedoch versicherten mir, dass es durchaus und nicht wenige Menschen gäbe, die derart miteinander kommunizierten.
Überzeugt von der Qualität der „Zwischen Welten“ hat mich schließlich Claudia, meine Lieblingsbäuerin. „Alles, was über uns Bauern und unsere Probleme darinsteht“, sagt sie, „stimmt hundertprozentig. Das Buch ist richtig gut recherchiert“.

Spaltung – Gefahr und Chance

Nun sitzt Juli Zeh leger in dem alten Omasessel auf der Bühne und erzählt, dass sie die Bauernproteste vor einem Jahr als etwas sehr Positives erlebt habe und denke, da sei etwas angekommen, vor allem, dass es noch Bauern gäbe und diese enorm wichtig für die Zukunft des Landes seien. Auslöser für diese Einschätzung sind ihr die vielen Bürger am Straßenrand, die sich mit den Bauern solidarisierten und diese aus der Ecke der Wutbauern herausholten. Als Reinhard Jung fragt, wie daraus Kapital zu schlagen sei, antwortet Zeh, dass in der größten Gefahr zugleich die größte Chance läge und diese hieße: SPALTUNG.

´Aha`, denke ich und spitze die Ohren. Ich bin gespannt auf die Erklärung.

Die AfD, gegen die allerorts Stimmung gemacht werde, sagt Zeh, verstehe sie als Weckruf. Zehn Jahre lang habe der Wecker geklingelt, nun begänne man ihn zu hören. Mit dem Hören verknüpft Zeh auch die Hoffnung, dass das Framing – „eine ganz falsche Reaktion der Politik“ – endlich ein Ende habe und Probleme in den Vordergrund rückten, die künftig sachlich diskutiert würden.
Dafür, fügt sie an, müsse die Klingeltaste allerdings weiter energisch gedrückt werden. Was sie damit meint, erläutert Zeh wenig später als sie sagt, sie wundere sich, wie viel sich die Leute gefallen ließen, schließlich passierten so viele Dinge, dass eigentlich ständig zig Leute nach Berlin ziehen und auf die Straße gehen müssten.
Zeitgleich warnt sie davor, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Sachlich und bei den Themen bleiben, ist ihr wichtigstes Anliegen.

Fehlendes Vertrauen

Ich sitze da und höre gespannt zu, meine Freunde und ihre unterschiedlichen Ansichten über Juli Zeh immer im Ohr. Ich prüfe und befinde, dass Juli Zeh ganz schön Klartext redet,
wenn sie bestätigt, wie gefährlich es sei, wenn sich in der Politik Koalitionen, die einander hassen, gegeneinander ausspielen, anstatt zu handeln und zu gestalten.
Wenn sie sagt, viele Themen seien ideologisiert und moralisiert und machten eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich.
Wenn sie sagt: „Moral in der Politik ist Scheiße!“
Wenn sie sagt, was ihr fehle, sei das komplette Vertrauen, dass die Bürger überhaupt etwas allein hinbekommen würden. Bei Corona habe man das erlebt.  Allerdings, sagt sie weiter, sei dieses Bevormunden nicht erst bei Corona erfunden worden, dort habe man es nur ganz deutlich gesehen, das fehlende Vertrauen in die Eigenverantwortung.

Ich bin begeistert. ´Von wegen Blume. Nichts da. Deutlicher geht es nicht`, denke ich gerade, als Juli Zeh aus dem Publikum gefragt wird, wann sie denn endlich aus der SPD austreten würde.
Oh, Juli Zeh ist in der SPD?, das wusste ich gar nicht.
Nach allem, was ich bisher gehört habe, rechne ich fest damit, dass sie nun ein Austrittsdatum in Aussicht stellt. Doch nein. Juli Zeh lehnt es ab, irgendwo dabei zu sein, wo alles 100prozentig stimme.  Im Nachhinein denke ich, ich hätte aufspringen und fragen sollen, wie viele Prozente für sie denn noch stimmten. Viele können es nicht mehr sein. Deutlich unter fünfzig Prozent.
Tja, Chance vertan. Ich bin noch am Aufnehmen, brauche zum Verdauen und komme erst zu Hause auf den Gedanken, dass ich hätte nachfragen sollen.

Juli Zeh spricht weiter, von Treue zur Idee als Institution.
Ich frage mich, was für Institutionen sind unsere Parteien, die uns im Wahlkampf die Hucke volllügen und sich zu keiner Zeit auch nur im Anflug um die Belange der Bürger kümmern. Unsere Politiker, das ist meine Erkenntnis aus dem Erleben der letzten Jahre, sind meilenweit von meinem Leben und noch viel mehr von dem der Arbeiter und Bauern entfernt.

Hatte Juli Zeh das vor ein paar Minuten nicht gerade bestätigt? Als sie davon sprach, dass gerade hier in diesem Landstrich zurzeit durchaus Erinnerungen an die sozialistische Planwirtschaft wach werden könnten, als den Menschen aus ortsfremden Zentren viele strenge Regeln aufoktroyiert wurden, egal ob diese einen Sinn ergaben oder nicht.

Alles Taktik?

Hallo? Juli Zeh?
Was soll ich davon halten?

Claudia, meine Lieblingsbäuerin hat Verständnis. Sie denkt, Juli Zeh müsse so taktieren, um nicht in eine Ecke gestellt zu werden und dadurch ihre Reichweite einzubüßen. Indem sie durch die Blume spricht, glaubt Claudia, erreicht Juli Zeh viele, viele Menschen, die sich abwenden würden, wenn die Schriftstellerin sich bei anderen Themen als denen, die die Bauern betreffen, ebenso glasklar positionieren würde.
Mein Freund Michael macht ihr genau das zum Vorwurf. Während der CoronaZeit wartete er vergebens auf deutlichere Worte von Juli Zeh, zum Beispiel zum politischen Missbrauch des Virus, zu Abhängigkeiten von Ämtern und von Lobbyisten oder zum Versagen der Judikative, der die studierte Juristin als Verfassungsrichterin in Brandenburg angehört. „Ich kann ihr nicht vertrauen“, sagt Michael. „Ich hätte Angst, dass sie mit meiner Meinung spielt.“

Was mache ich damit? Ich wollte mir ein Bild verschaffen.

Nach ihrem Auftritt bleibt Juli Zeh noch ein wenig, plaudert, beantwortet Fragen, wirkt sehr zugewandt und auf Augenhöhe.

Sind Michael und meine Erwartungshaltungen zu groß? Sind sie falsch? Wir beide positionieren uns klar. Genau wie Claudia und auch Carlos. Allerdings sitzen wir alle nicht bei Lanz und Maischberger und werden als Mittler zwischen den Welten um unsere Meinung gefragt. Würde Juli Zeh noch gefragt werden, wenn sie sich eindeutiger positionieren würde?

„Wie man es macht, macht man es verkehrt“, pflegte meine Oma früher gerne zu sagen.
Was ist richtig, was ist falsch? Was würde ich an Juli Zehs Stelle tun?
Ich weiß es nicht.
Und hoffe auf ihren Orwellschen Blick, der offenbar einen Funken Licht am Ende des Tunnels sieht.
 

Mir fehlen die Worte

Mir fehlen die Worte

In ihrem letzten Brief vom 21. Oktober erzählt Noras Zufallsbekannschaft, die 19-jährige Marie von ihren Erfahrungen während der CoronaZeit.

Pinnow, 1. Dezember 2024

Liebe Marie,

was für ein Bericht. Ich danke dir sehr. Und bin erschüttert. Krass, dieses Plexiglas – wer denkt sich so etwas aus? Offenbar ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie es dir dahinter geht. Aber nein, du schreibst, du hast es ihnen gesagt und dabei bitterlich geweint, alle wussten Bescheid – es ging darum, dich auszugrenzen. Mir fehlen die Worte.
Meine Clara fragt: Was ist falsch mit den Menschen? Ich frage, wo ist die Empathie? Einfach dieses Vermögen, sich in den anderen hineinzuversetzen? Von uns wurde das die ganze Zeit verlangt: Solidarität.

Kennst du das Kinderbuch: Und damals war es Friedrich? Ich sehe deutliche Parallelen. Aber das darf man ja nicht sagen.

Wenn ich lese, was du schreibst, schüttele ich die ganze Zeit den Kopf. Wie hast du das weggesteckt. Unbeschadet. Bist du unbeschadet? Das ist doch ein Trauma. Wahrscheinlich gleich mehrere – Traumata. Machst du irgendetwas, um das aufzuarbeiten, zu verarbeiten?

Als Mutter frage ich mich, wie es deinen Eltern erging. Gab es die Überlegung dich aus der Schule zu nehmen? Was war mit deinen Geschwistern? Konnten eure Eltern euch auffangen?
In welcher Schule bist du jetzt? Noch in derselben? Wenn ja, wie geht das? So wie vielfach um uns herum – einfach weitermachen, als wenn nichts gewesen wäre?

Liebe Marie,
15 warst du …
mir kommen die Tränen. Da sitzt etwas. Ich bin ja immer versucht, im Austausch zu sein. Spüre aber oft ein großes Bestreben zu verschweigen, wegzudrücken …

Ich danke dir sehr, dass du hilfst festzuhalten, zu erinnern.
Ganz liebe Grüße,
Nora.

PS: In dem Buch, das ich zur Zeit lese (Jenseits des Abgrunds) bin ich gerade vorhin an einem Abschnitt hängen geblieben, der genau auf dich und deine Situation passt:
„Und keiner seiner Klassenkameraden hat etwas unternommen?“ fragte ich empört.
„Manche haben gelacht
Andere empfanden wohl Mitleid mit ihm, schauten aber weg. Schon Einstein hat gesagt: Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern denen, die Böses zulassen. „