Nora, 13. November 2023

Hannelore,

du hattest mir geantwortet. Aber deine Mail war im Spam gelandet. Ich habe sie gerade entdeckt und bin nun in Sorge, dass du dich von meiner gestrigen Nachricht überrollt fühlst.
Zumal es dir und euch nicht gut geht. Ich wusste gar nicht, dass du Rheuma hast. Ist das neu? Wie lange dauert so ein Schub? Und wie macht der sich bemerkbar? Ich hoffe sehr, es geht schnell vorüber. Michael wünsche ich auch, dass er bald wieder der Alte ist.  Immer wieder höre ich, dass es einfach dauern kann.
Zum Glück gibt es aber auch immer wieder (Alternativ)Mediziner, die ihre eigenen Rückschlüsse ziehen, Ideen haben und unorthodoxe Therapien ausprobieren. Wenn die dann Erfolg haben… Das muss sich rumsprechenm, muss publik gemacht werden!
Ich erzähle gerade allen, vom Sohn meiner ehemaligen Klassenkameradin Katrin, der seit April mit Long-Covid oder Post Vac (wer weiß das schon?) zu tun hatte. Er ist Leichtathlet. Im März hatte es ihn im Trainingslager erwischt, gar nicht doll, zwei Wochen Pause, dann nahm er das Training wieder auf, gewann sogar die ersten Wettkämpfe. Danach kam plötzlich der Knock out – totale Erschöpfung, Lungenprobleme, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten. Die Ärzte konnten nichts feststellen, außer, dass nicht so viel Luft oder Sauerstoff (da müsste ich noch mal nachfragen) von der Lunge aufgenommen wurde, wie normal. Warum, weshalb – wußte niemand zu sagen. Er lief von Pontius zu Pilatius, stand auf der Warteliste der Long-Covid-Patienten der Charité, wahrscheinlich steht er da  immer noch. Ein Freund erzählte Katrin schließlich von einem Osteopathen, der versprach zu helfen, wie er bislang allen Long-Covid-Patienten, die zu ihm gekommen waren, geholfen hatte.
Und tatsächlich, es geht rapide bergauf. Noch trainiert er nicht wieder, aber die Idee vom Training ist wieder in Sichtweite. Weißt du, was das Geheimrezept war? Rotlicht. Natürlich nicht das kleine zu Hause, sondern ein Therapiestrahler in der Praxis. Katrin hatte mir alles genau erklärt. Irgendwie, das habe ich mir gemerkt, war die Muskulatur um die Lunge in großer Spannung. Die Lösung kann manchmal so leicht sein. Solche Erfolge müssen publik gemacht werden. Es muss ein viel intensiverer Austausch zwischen den Medizinern und Heilern stattfinden. Es gibt so viele Geschädigte. Auch deshalb bin ich energisch für Aufarbeitung.

Du aber werde erst mal wieder gesund.
Liebe Grüße, Nora.

Nora – 12. November 2023

Der erste Fragebogenrückläufer – Noras Vater Jo hält Rückschau

Pinnow, 12. November 2023

Liebe Hannelore,

ich bin beunruhigt, so gar nichts von dir zu hören. Geht es dir gut? Vermutlich hast du wieder nur immens viel zu tun, du Umtriebige. Oder gärt da etwas Tieferes? Das vermeintlich Unsolidaraische? Lass uns darüber reden!
Vielleicht motiviert es dich ja zu hören, das Papa wieder der erste war, der auf den neuen Fragebogen geantwortet hat. Unglaublich, wie er im Alter an Tempo zulegt. Ich schicke dir seine Antworten und hoffe, sie motivieren dich.
Ich freue mich von dir zu lesen,
ganz liebe Grüße,
Nora.

 

Wie ging es dir in der CoronaZeit? Drei lange Jahre?

Wir, meine Frau und ich (72 und 77 Jahre alt) sind in der engeren Familie die einzigen, die bisher „coronafrei“ geblieben sind. Altersbedingt sind wir sehr vorsichtig gewesen, haben uns drei Mal impfen lassen, haben in der Zeit von 2019 bis Anfang 2023 Masken getragen und unnötige Kontakte und insbesondere Kontakte in größeren Gruppen vermieden.  Wir haben in dieser Zeit weitestgehend keine öffentlichen Nahverkehrsmittel genutzt.

Wie hast du die CoronaZeit erlebt? Drei lange Jahre lang? Was hast du gedacht, gefühlt, beobachtet?

Die CoronaZeit war für mich eine Zeit starker persönlicher Verunsicherung.

Zeitnah nach meiner ersten Corona Impfung erkrankte ich an Rheuma. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur Coronaimpfung schloss ich das Rheuma als eine Nebenwirkung der Impfung nicht aus. Ich wendete mich an das Robert-Koch-Institut, an das Paul-Ehrlich-Institut, an das Deutsche Rheumaforschungszentrum, an das  Deutsches-Zentrum für Immuntherapie und natürlich auch an meine Rheumaärzte und bat um Informationen darüber, ob ein Zusammenhang zwischen der Impfung und meiner Rheumaerkrankung bestehen könnte. Die Antworten liefen auf Folgendes hinaus: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Arthritis ist laut unserer Experten nicht belegt.“  Nicht belegt heißt natürlich nicht, dass ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen werden kann. Ich war in einer Phase großer Verunsicherung ohne jemanden dafür verantwortlich zu machen. Für mich war Corona eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung, für die es keine gesicherten Erkenntnisse gab und auch nicht geben konnte. Im Bewusstsein möglicher Risiken und einer persönlichen Risikoabwägung entschied ich mich dann doch für eine zweite und dritte Boosterimpfung. Mit dieser Risikoabwägung schätzte ich für mich die möglichen negativen Folgen einer Nichtimpfung höher ein als die Risiken eines möglichen Impfschadens. Nach den Boosterimpfungen hatte ich keine Nebenwirkungen.

Wie hat sich dein Denken, Fühlen und Beobachten über die drei Jahre verändert?

Mein Fühlen und Beobachten des gesellschaftlichen Umgangs mit der Pandemie hat sich grundlegend über den Zeitraum der Pandemie nicht verändert. Vermutlich kann ich dieses Fühlen jetzt nur genauer Beschreiben. Corona ist eine ernst zu nehmende Pandemie, auf die, die Menschheit nicht vorbereitet war.  In allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in der Politik, mussten  Entscheidungen getroffen werden, deren Richtigkeit und Wirksamkeit ungewiss waren. Diese Ungewissheit war objektiv gegeben.  Die namentlich durch die Politik zu treffenden Entscheidungen waren objektiv mit dem Risiko verbunden, dass sie falsch sein können. Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an die Habilitationsschrift eines Freundes zum Thema „Entscheidungstheoretische Aussagen zum Risiko …“ In seiner Arbeitsthese charakterisierte er das Risiko als die aus der Unbestimmtheit resultierende Möglichkeit, dass die Verwirklichung einer ausgewählten Entscheidungsvariante nicht zur Erreichung des angestrebten Ziels führt.“ Die Coronazeit war für mich objektiv eine Zeit der Ungewissheit, der Unbestimmtheit. Es war eine risikobehaftete Zeit. Dafür kann niemand verantwortlich gemacht werden. Diese Unbestimmtheit und Ungewissheit schließt auch kontroverse Meinungen zum Umgang mit der Pandemie ein. Das schließt auch ein, dass ich andere Meinungen zur Krisenbewältigung aushalten und akzeptieren muss.  Nicht bereit war und bin ich allerdings, Corona zu verharmlosen. Rückblickend muss ich Doreen Mechsner danken, dass sie deinen Austausch mit Hannelore, der genau das thematisiert, aufgegriffen und als „Briefwechsel“ veröffentlicht hat. Unbestimmtheiten, Ungewissheiten implizieren unterschiedliche Meinungen und Haltungen. Das ist objektiv so und muss im Diskurs ausgehalten und gegenseitig respektiert werden.  Das setzt einen respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesem Anspruch ist unsere Gesellschaft nicht gerecht geworden. Das macht mir hinsichtlich des Zustandes unserer Gesellschaft große Sorgen.

Was hat dich besorgt? Geängstigt? Geärgert?

Besorgt, geärgert und mehr als genervt hat mich der gesellschaftliche Umgang mit der Pandemie. Das ist ein breites Thema. Ich versuche es auf den Punkt zu bringen. Die objektiv gegebene Unbestimmtheit im Umgang mit der Pandemie wurde in oft unverantwortlicher Weise durch parteipolitische Profilierungssucht von Politikern und wohl auch von Wissenschaftlern und Medizinern missbraucht. Vulgärpolitiker (Trump, Bolsonaro, Lukaschenko) verharmlosten die Pandemie. Andere Politiker versuchten sich durch pausenlose Präsenz in den Medien hervorzutun. Landespolitiker nutzten unser förderalistisches System um sich in einem Überbietungswettbewerb ergriffener Maßnahmen  zu profilieren und stürzten Deutschland in einen regionalen Flickenteppich sich widersprechender Maßnahmen.  Die Medienpolitik nervte mich mit ihrer  über jedes erträgliche Maß hinausgehenden inflationären Thematisierung der Corona Krise. Die Medien und Politik trugen durch pauschalisierende Verurteilung derjenigen, die die durch die Politik ergriffenen Maßnahmen kritisch hinterfragten, zu einem angeheizten Lagerdenken bei. Inzwischen hat sich gezeigt, dass lange nicht alle durch die Politik ergriffenen Maßnahmen zielführend waren und dass kritisches Hinterfragen durchaus berechtigt war (z.B. hinsichtlich der bildungspolitischen Folgen für die Schülergeneration). Ich vermisse eine Entschuldigung bei denjenigen, die für berechtigtes kritisches Hinterfragen diskriminiert wurden. (Ich betone hier für berechtigtes (!) kritisches Hinterfragen; meine also nicht diejenigen, die die Gefährlichkeit der Pandemie verharmlosten. Zum berechtigten kritischen Hinterfragen gehört auch die Ablehnung einer Corona-Impflicht. Die durch die Regierungspolitik betriebene Corona-Impflicht kann (und muss wohl auch) scharf gegeißelt  werden. Was aber gar nicht geht ist, dass Impfgegner die Impfpolitik der Regierung als faschistisch bezeichneten. Das ist eine gefährliche Verharmlosung des Faschismus.)

Sorge bereitet mir also unser politisches System, welches sich vorrangig an machtpolitischen und parteipolitischen Interessen orientiert  und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. Ich bin tief besorgt.

Wie bist du den unterschiedlichsten Situationen, wie mit den Maßnahmen umgegangen?

Sorge bereitet mir die Erkenntnis, das Corona noch nicht ausgestanden ist. Da sind zum einen die Long Covid Erkrankungen. In meinem Bekanntenkreis gibt es eine solche Long Covid Erkrankung und nach jetzigem Erkenntnisstand steht die Medizin diesem Phänomen ziemlich hilflos gegenüber. Hier unterstütze ich Initiativen des Gesundheitsministers für mehr Unterstützung Betroffener und in der Bereitstellung von Forschungsmitteln. Zum anderen bin ich nach wie vor hinsichtlich von Boosterimpfungen verunsichert. Impfschäden durch die Corona-Impfung dürfen nicht ausgeblendet werden und diejenigen, die sich mit Blick auf mögliche Impfschäden nicht impfen lassen wollen, dürfen nicht pauschal verunglimpft werden. Impfzwang bei Corona lehne ich ab. (Impfungen, nicht nur Corona-Impfungen, sind ein gesondertes Thema: „Ausgereifte“ Impfungen haben sich in der Medizingeschichte als ein Segen für die Menschheit herausgestellt. Die Coronaimpfung ist aus meiner Sicht (noch) nicht ausgereift. Ich bin für Impfungen, wenn diese „ausgereift“ sind; z. B. Impfungen gegen Masern. Ich bin gegen Impfpflicht bei „nicht ausgereiften“ Impfungen.  )

Wie ist deine Familie/ wie seid ihr als Familie miteinander in dieser Situation und mit dieser außerordentlichen Situation umgegangen?

Natürlich gab und gibt es auch in meiner Familie unterschiedliche, z. T. auch konträre Auffassungen und Meinungen zur Pandemie und den zu ergreifenden Maßnahmen. Wie oben schon gesagt, ist das objektiv der Ungewissheit geschuldet, die eine solche, für die Menschheit unbekannte, Pandemie mit sich bringt. Die so bedingten subjektiv unterschiedlichen Sichtweisen haben meine Familie nicht entzweit.

Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?

Wichtig ist es anderen zuzuhören und sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen. Dafür gibt es im Diskurs eine gute Strategie. Bevor ich in einer hitzigen Diskussion antworte, sollte ich für mich gedanklich die Argumentation meines Gegenübers wiederholen und erst dann antworten. Das hilft dabei, nicht aneinander vorbeizureden. … und wenn es gar zu arg wird, sollte man eine Nacht drüber schlafen.

Was über dein Land und die Gesellschaft, in der wir leben? Was denkst du heute über diese Zeit? Wie verhältst du dich gegenüber den neuen (alten) Krisen dieser Zeit?

Ich wiederhole mit Nachdruck: Über den Zustand unserer Gesellschaft bin ich zutiefst beunruhigt, Es dominieren kurzfristige parteipolitischen und machtpolitischen Interessen. Gesellschaftliche Visionen fehlen diesem, unserem Land. Das betrifft nicht nur den Zustand unserer Gesellschaft im Umgang mit der Pandemie, sondern insgesamt den Umgang mit den geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit (Krieg und Frieden, Rüstungspolitik  Klimapolitik, Migrationspolitik, Bildungspolitik, …) Es ist desaströs  was die Politik da liefert und es ist unverantwortlich, wie „Leitmedien“ (ARD, ZDF – um nur einige zu nennen) ihrer Verantwortung für eine unabhängige Berichterstattung nicht nachkommen. Ich distanziere mich ausdrücklich von denjenigen, die die Medien als Lügenpresse bezeichnen, kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass durch eine oft einseitige Berichterstattung und durch mediale Pauschalurteile tendenziös berichtet wird. Diese oft anzutreffende tendenziöse Berichterstattung, die einseitig dem Narrativ der Regierungspolitik folgt, halte ich für mehr als bedenklich.

 

Hannelore – 11. November 2023

Hannelores 2. Antwort

Krefeld, 11. November 2023

Liebe Nora,

ich bitte dich um noch ein wenig Geduld. Michael geht es nicht gut, er hatte gerade zum zweiten Mal Corona und rappelt sich nur sehr langsam. Ich selbst habe mit meinem Rheuma zu tun, das nasskalte Herbstwetter tut mir nicht gut. Ich melde mich, sobald es uns wieder besser geht.
Bis dahin sei gegrüßt
von Hannelore.

 

 

Noras Fragebogen – 3. November 2023

Noras Fragebogen

Pinnow, 3. November 2023

Liebe Hannelore,

meine Freundin Emma, die vor drei Jahren so ausführlich auf deinen Fragebogen geantwortet hatte, bat mich, ihr  auch dieses Mal einen Fragebogen zuzuschicken, an dem sie sich entlanghangeln kann. Ich denke, das könnte auch für deine Freunde und Bekannte erleichternd sein, um erneut Rückschau zu halten. Natürlich kann und darf aber auch jeder schreiben, wie es ihm die Feder (oder die Tastatur) diktiert. Ich freue mich über Rückmeldungen aller Ard(t).

Herzlichst
Nora.

 

Wie ging es dir in der CoronaZeit? Drei lange Jahre?

Wie hast du die CoronaZeit erlebt? Drei lange Jahre lang?
Was hast du gedacht, gefühlt, beobachtet?
Wie hat sich dein Denken, Fühlen und Beobachten über die drei Jahre verändert?
Wie hat Corona dein Leben beeinflusst? Beruflich? Familiär? Gesellschaftlich?
Was hat dich besorgt? Geängstigt? Geärgert?
Was hat dich gestärkt?
Wie bist du mit der Situation, den unterschiedlichsten Situationen, wie mit den Maßnahmen umgegangen?
Wie ist deine Familie/ wie seid ihr als Familie miteinander in dieser Situation und mit dieser außerordentlichen Situation umgegangen?
Wie prägte diese Zeit deine Freundschaften, deinen Freundeskreis?
Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt? Was über dein Umfeld? Dein Land und die Gesellschaft, in der wir leben?

Was denkst du heute über diese Zeit?
Wie würdest du dich aus heutiger Sicht in dieser Zeit verhalten?
Wie verhältst du dich gegenüber den neuen (alten) Krisen dieser Zeit?

 

 

 

 

Nora – 31. Oktober 2023

Noras 2. Brief

Pinnow,

Liebe Hannelore,

mein Leben hält mich gerade ganz schön auf Trab, deshalb antworte ich erst heute – am Dienstag, der ein trüber Regentag ist, aber endlich voller Zeit. Sie rennt nach wie vor immer ein Stück vor mir her. Obwohl, ganz so stimmt das nicht, seit den Sommerferien gelingt es mir immer öfter, sie einzufangen und freundlich an die Hand zu nehmen. Ich habe ein wenig ausgemüllt, in meinem Kopf und vor allem auch meinem Kalender und eine neue Struktur gefunden. Initialzündung dafür war das Buch „Zeit als Lebenskunst“ von Olaf Georg Klein. Klein räumt darin unter anderem mit der Vorstellung (dem Hauptirrtum) auf, dass wir tatsächlich Zeit meinen würden, wenn wir von Zeit sprechen. Er sagt, wir seien mit Zeitmodellen unterwegs. Wir hier in der „modernen“ Welt, schreibt Klein, leben mit der Idee von Zeit als einer geraden in die Zukunft gerichteten Linie. Ich habe sofort die Tartanbahn vor Augen, auf der ich früher etliche Trainingseinheiten verbracht habe, natürlich immer einem imaginären Ziel – meine Zeit zu verbessern, also die vom letzten Training irgendwie einzuholen – hinterherjagend.
Vor meinem Fenster läuft ein ganz anderes Zeitmodell. Die Linde färbt sich langsam braun, die Ahornblätter liegen rot und gelb auf der Wiese, unser riesiger Walnussbaum entledigt sich seiner schweren Früchte – wir haben bestimmt schon zwanzig Kilogram aufgesammelt und es liegen noch mal so viele im nassen Gras. Durch unsere Birken können wir bereits hindurchsschauen. In ein paar Wochen wird unser Garten kahl und trist aussehen, wie tot. Aber dann, im nächsten Frühjahr …Es ist wie mit der Raupe und dem Schmetterling. Eigentlich gefällt mir dieses Zyklusmodell viel besser – vom Werden und Vergehen und Wiederkommen. Weiß der Schmetterling von der Raupe? Glaubst du eigentlich an Wiedergeburt?
Hannelore, was ist das? Kaum schreibe ich dir, gehen meine Gedanken mit mir durch. Da wollte ich doch gar nicht hin.
Sondern dir eigentlich nur meinen kleinen, ich nenne es mal, „Essay“ zu der Frage „Warum hast du nicht mitgemacht“ schicken.
Wie gesagt, ich finde die Fragestellung nicht ganz glücklich, deshalb habe ich meine abgewandelt und würde von den Menschen gerne wissen,  warum sie sich in der Coronazeit wie verhalten haben und wie sie diese Zeit und ihren Umgang mit dieser Zeit und den daraus resultierenden Gegebenheiten aus heutiger Sicht betrachten. Es wäre toll, wenn du dich und wenn sich deine Freunde wieder beteiligen würden. Vielleicht hat ja auch Michael Lust…
Ich grüße dich ganz herzlich,
Nora.

Warum habe ich nicht mitgemacht?

Wenn ich es versuche mit Humor zu betrachten, erzähle ich gerne, dass die ganze Corona-Zeit nur meinetwegen über uns gekommen ist. Ich bin ein Kind der DDR, 27 Jahre nach Kriegsende geboren und trotzdem war der Krieg in meiner Kindheit noch absolut präsent. Ich war schon in der 1. Klasse, also mit sieben Jahren, aktiv in der AG „Junge Antifaschisten“. Damals war ich traurig, habe bedauert, dass ich nicht in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt habe. Meine Zeit erschien mir so langweilig, ohne große Herausforderung. Ich wollte doch Antifaschistin sein, wie meine Vorbilder Käthe Niederkircher, Lilo Herrmann, Fiete Schulze, natürlich Ernst Thälmann und und und… Ich war überzeugt, ich wäre eine von ihnen gewesen, unbeugsam. Erst langsam dämmerte mir, dass das gar nicht so zwangsläufig anzunehmen war, vielleicht hätte ich mich geduckt, hätte geschwiegen, wäre Mitläuferin geworden oder sogar Täterin – wer weiß das schon.

Die Corona-Zeit hat mir gezeigt, dass ich mit meiner kindlichen Überzeugung mit Sicherheit Antifaschistin gewesen zu sein gar nicht so falsch lag. Ich war widerständig.

Warum? Wenn ich es – im Sinne von Daniele Ganser – ganz knapp runterbreche, habe ich wohl einfach eine andere Angst gehabt, als alle diejenigen, die, wie immer auch, mitgemacht haben. Ich hatte Angst, meine Freiheit zu verlieren, meine Autonomie und irgendwie – durch die Spritze – auch meine Gesundheit.
Die Angst meines Mannes war eher eine existentielle – er sieht sich als Versorger der Familie, diesen Status wollte er nicht gefährden, dafür hätte er sich  – er ist im Gesundheitswesen tätig – fast impfen lassen. Zum Glück bekamen wir genau zum richtigen Zeitpunkt Corona und damit war er sechs Monate lang „geschützt“. Danach war das Thema vom Tisch.

Anfänglich hatte ich Angst vor Corona. Fürchtete in drei Wochen tot sein zu können. Oder schlimmer, eins meiner Kinder. Was tun? Mich aus Angst verkriechen? Nein! Ich wollte, wenn, dann aus dem Leben heraus sterben. Bei uns auf dem Land ging das mit dem Leben ganz gut. Im Prinzip waren wir frei.

Dann erreichten mich erste Botschaften von Menschen, die anders auf das Geschehen schauten. Es gab erste Daten und es gab Mediziner wie Wodarg, Schiffmann und Bhakdi. Warum wurden sie nicht gehört? Sogar verunglimpft? Das machte mich skeptisch. Ich begann Corona und das Drumherum zu studieren.

Ich stolperte über Begriffe wie „symptomlos erkrankt“.
Es dauerte lange, bis im Umfeld meines Umfeldes überhaupt jemand erkrankte. Diejenigen die es traf, posteten fleißig in den sozialen Netzwerken – das musste ja eine schlimme Krankheit sein.
Der Vater einer Bekannten starb an Corona – ein Arzt, 83 Jahre noch immer als Arzt tätig, behandelte er ungeschützt – in unserem hochgerühmten Gesundheitssystem fehlte es einfach an Schutzkleidung.
Ich lernte einen Intensivpfleger kennen, er war Springer, in mehr als einem Dutzend Berliner Krankenhäusern unterwegs. Er zeichnete ein anderes Bild als das, das uns in den Medien verkauft wurde.

Ich fragte mich, warum uns die Regierung keine gesunden Lebensmittel und Vitamin D und C verordnete? Warum sie uns stattdessen einsperrte und uns damit vorbeugende Maßnahmen wie frische Luft und Bewegung nahm? Wie konnte man Sport verbieten? Wie Kultur, wie Beieinandersein? also soziale Medizin? Wie konnte man uns zwingen, uns selbst die Luft zum Atmen zu nehmen – mittels eines Wischs vor dem Mund? Da rebellierte mein gesunder Menschenverstand? Für mich war die Maske von Anfang an ein Maulkorb.

Ich hörte Ken Jebsen.
Ich ging raus, veranstaltete mit Freunden Demos, fand Gleichgesinnte, durchweg schlaue Menschen mit Fachkenntnissen. Wir sind bis heute befreundet – ein positiver Coronaeffekt. Der neue Freundeskreis wächst immer weiter. Dieser Kreis war mein Rückhalt, ist es bis heute.

Mir gefällt die Bezeichnung „moralischer Kompass“. Dem bin ich gefolgt. Ich habe mich belesen, geforscht, recherchiert, ausgetauscht, ich war bereit auch an meiner Sicht zu zweifeln, habe anfänglich sogar gehofft, falsch zu liegen, aber alles was ich mir an (Halb)wissen aneignete, ließ mich immer wieder zu dem Schluss kommen, dass hier etwas gehörig schief läuft. Dass es nicht um unsere Gesundheit geht.

Die Impfung verstand ich viel mehr als Angriff. Und als Einnahmequelle für die Pharmallobby. Normalerweise brauchen Impfungen an die zehn Jahre für ihre Entwicklung. Für das Corona-Therapeutikum wurden alle Sicherheitsstufen über den Haufen geworfen. Es wurde vom ersten Coronatag an als einzige Lösung gehypt.
Plötzlich gab es richtige und falsche Wissenschaftler. Wissenschaftler, die mit – erschütternden Mitteln – mundtot gemacht wurden.

Das Mittel der Wahl für alles – ANGST.
Meine war einfach eine andere, als die vieler anderer Menschen.

Nora Mittelstädt