Hannelore, 20. November 2023

Hannelores 3. Antwort

Krefeld, 20. November 2023

Liebe Nora,

nun bin ich endlich dazu gekommen, deinen Rückblick auf die Coronazeit und auch den deines Vater zu lesen. Ich finde dein neues Projekt interessant, möchte mich aber nicht beteiligen. Bei meinen Bekannten, die vor drei Jahren meinen Fragebogen beantwortet haben, besteht ebenfalls kein Interesse. Die Stimmungslage ist einfach so, dass sich niemand mehr mit Corona beschäftigen möchte. Auch Michael und ich nicht. Uns reicht es, dass wir schon wieder darüber diskutieren, ob wir uns erneut impfen lassen oder nicht.  Wir brauchen keine gesellschaftspolitische Aufarbeitung.

Dennoch wünsche ich dir für dein neues Projekt viel Erfolg.
Liebe Grüße,
Hannelore.

Nora, 13. November 2023

Hannelore,

du hattest mir geantwortet. Aber deine Mail war im Spam gelandet. Ich habe sie gerade entdeckt und bin nun in Sorge, dass du dich von meiner gestrigen Nachricht überrollt fühlst.
Zumal es dir und euch nicht gut geht. Ich wusste gar nicht, dass du Rheuma hast. Ist das neu? Wie lange dauert so ein Schub? Und wie macht der sich bemerkbar? Ich hoffe sehr, es geht schnell vorüber. Michael wünsche ich auch, dass er bald wieder der Alte ist.  Immer wieder höre ich, dass es einfach dauern kann.
Zum Glück gibt es aber auch immer wieder (Alternativ)Mediziner, die ihre eigenen Rückschlüsse ziehen, Ideen haben und unorthodoxe Therapien ausprobieren. Wenn die dann Erfolg haben… Das muss sich rumsprechenm, muss publik gemacht werden!
Ich erzähle gerade allen, vom Sohn meiner ehemaligen Klassenkameradin Katrin, der seit April mit Long-Covid oder Post Vac (wer weiß das schon?) zu tun hatte. Er ist Leichtathlet. Im März hatte es ihn im Trainingslager erwischt, gar nicht doll, zwei Wochen Pause, dann nahm er das Training wieder auf, gewann sogar die ersten Wettkämpfe. Danach kam plötzlich der Knock out – totale Erschöpfung, Lungenprobleme, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten. Die Ärzte konnten nichts feststellen, außer, dass nicht so viel Luft oder Sauerstoff (da müsste ich noch mal nachfragen) von der Lunge aufgenommen wurde, wie normal. Warum, weshalb – wußte niemand zu sagen. Er lief von Pontius zu Pilatius, stand auf der Warteliste der Long-Covid-Patienten der Charité, wahrscheinlich steht er da  immer noch. Ein Freund erzählte Katrin schließlich von einem Osteopathen, der versprach zu helfen, wie er bislang allen Long-Covid-Patienten, die zu ihm gekommen waren, geholfen hatte.
Und tatsächlich, es geht rapide bergauf. Noch trainiert er nicht wieder, aber die Idee vom Training ist wieder in Sichtweite. Weißt du, was das Geheimrezept war? Rotlicht. Natürlich nicht das kleine zu Hause, sondern ein Therapiestrahler in der Praxis. Katrin hatte mir alles genau erklärt. Irgendwie, das habe ich mir gemerkt, war die Muskulatur um die Lunge in großer Spannung. Die Lösung kann manchmal so leicht sein. Solche Erfolge müssen publik gemacht werden. Es muss ein viel intensiverer Austausch zwischen den Medizinern und Heilern stattfinden. Es gibt so viele Geschädigte. Auch deshalb bin ich energisch für Aufarbeitung.

Du aber werde erst mal wieder gesund.
Liebe Grüße, Nora.

Nora – 12. November 2023

Der erste Fragebogenrückläufer – Noras Vater Jo hält Rückschau

Pinnow, 12. November 2023

Liebe Hannelore,

ich bin beunruhigt, so gar nichts von dir zu hören. Geht es dir gut? Vermutlich hast du wieder nur immens viel zu tun, du Umtriebige. Oder gärt da etwas Tieferes? Das vermeintlich Unsolidaraische? Lass uns darüber reden!
Vielleicht motiviert es dich ja zu hören, das Papa wieder der erste war, der auf den neuen Fragebogen geantwortet hat. Unglaublich, wie er im Alter an Tempo zulegt. Ich schicke dir seine Antworten und hoffe, sie motivieren dich.
Ich freue mich von dir zu lesen,
ganz liebe Grüße,
Nora.

 

Wie ging es dir in der CoronaZeit? Drei lange Jahre?

Wir, meine Frau und ich (72 und 77 Jahre alt) sind in der engeren Familie die einzigen, die bisher „coronafrei“ geblieben sind. Altersbedingt sind wir sehr vorsichtig gewesen, haben uns drei Mal impfen lassen, haben in der Zeit von 2019 bis Anfang 2023 Masken getragen und unnötige Kontakte und insbesondere Kontakte in größeren Gruppen vermieden.  Wir haben in dieser Zeit weitestgehend keine öffentlichen Nahverkehrsmittel genutzt.

Wie hast du die CoronaZeit erlebt? Drei lange Jahre lang? Was hast du gedacht, gefühlt, beobachtet?

Die CoronaZeit war für mich eine Zeit starker persönlicher Verunsicherung.

Zeitnah nach meiner ersten Corona Impfung erkrankte ich an Rheuma. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur Coronaimpfung schloss ich das Rheuma als eine Nebenwirkung der Impfung nicht aus. Ich wendete mich an das Robert-Koch-Institut, an das Paul-Ehrlich-Institut, an das Deutsche Rheumaforschungszentrum, an das  Deutsches-Zentrum für Immuntherapie und natürlich auch an meine Rheumaärzte und bat um Informationen darüber, ob ein Zusammenhang zwischen der Impfung und meiner Rheumaerkrankung bestehen könnte. Die Antworten liefen auf Folgendes hinaus: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Arthritis ist laut unserer Experten nicht belegt.“  Nicht belegt heißt natürlich nicht, dass ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen werden kann. Ich war in einer Phase großer Verunsicherung ohne jemanden dafür verantwortlich zu machen. Für mich war Corona eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung, für die es keine gesicherten Erkenntnisse gab und auch nicht geben konnte. Im Bewusstsein möglicher Risiken und einer persönlichen Risikoabwägung entschied ich mich dann doch für eine zweite und dritte Boosterimpfung. Mit dieser Risikoabwägung schätzte ich für mich die möglichen negativen Folgen einer Nichtimpfung höher ein als die Risiken eines möglichen Impfschadens. Nach den Boosterimpfungen hatte ich keine Nebenwirkungen.

Wie hat sich dein Denken, Fühlen und Beobachten über die drei Jahre verändert?

Mein Fühlen und Beobachten des gesellschaftlichen Umgangs mit der Pandemie hat sich grundlegend über den Zeitraum der Pandemie nicht verändert. Vermutlich kann ich dieses Fühlen jetzt nur genauer Beschreiben. Corona ist eine ernst zu nehmende Pandemie, auf die, die Menschheit nicht vorbereitet war.  In allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in der Politik, mussten  Entscheidungen getroffen werden, deren Richtigkeit und Wirksamkeit ungewiss waren. Diese Ungewissheit war objektiv gegeben.  Die namentlich durch die Politik zu treffenden Entscheidungen waren objektiv mit dem Risiko verbunden, dass sie falsch sein können. Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an die Habilitationsschrift eines Freundes zum Thema „Entscheidungstheoretische Aussagen zum Risiko …“ In seiner Arbeitsthese charakterisierte er das Risiko als die aus der Unbestimmtheit resultierende Möglichkeit, dass die Verwirklichung einer ausgewählten Entscheidungsvariante nicht zur Erreichung des angestrebten Ziels führt.“ Die Coronazeit war für mich objektiv eine Zeit der Ungewissheit, der Unbestimmtheit. Es war eine risikobehaftete Zeit. Dafür kann niemand verantwortlich gemacht werden. Diese Unbestimmtheit und Ungewissheit schließt auch kontroverse Meinungen zum Umgang mit der Pandemie ein. Das schließt auch ein, dass ich andere Meinungen zur Krisenbewältigung aushalten und akzeptieren muss.  Nicht bereit war und bin ich allerdings, Corona zu verharmlosen. Rückblickend muss ich Doreen Mechsner danken, dass sie deinen Austausch mit Hannelore, der genau das thematisiert, aufgegriffen und als „Briefwechsel“ veröffentlicht hat. Unbestimmtheiten, Ungewissheiten implizieren unterschiedliche Meinungen und Haltungen. Das ist objektiv so und muss im Diskurs ausgehalten und gegenseitig respektiert werden.  Das setzt einen respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesem Anspruch ist unsere Gesellschaft nicht gerecht geworden. Das macht mir hinsichtlich des Zustandes unserer Gesellschaft große Sorgen.

Was hat dich besorgt? Geängstigt? Geärgert?

Besorgt, geärgert und mehr als genervt hat mich der gesellschaftliche Umgang mit der Pandemie. Das ist ein breites Thema. Ich versuche es auf den Punkt zu bringen. Die objektiv gegebene Unbestimmtheit im Umgang mit der Pandemie wurde in oft unverantwortlicher Weise durch parteipolitische Profilierungssucht von Politikern und wohl auch von Wissenschaftlern und Medizinern missbraucht. Vulgärpolitiker (Trump, Bolsonaro, Lukaschenko) verharmlosten die Pandemie. Andere Politiker versuchten sich durch pausenlose Präsenz in den Medien hervorzutun. Landespolitiker nutzten unser förderalistisches System um sich in einem Überbietungswettbewerb ergriffener Maßnahmen  zu profilieren und stürzten Deutschland in einen regionalen Flickenteppich sich widersprechender Maßnahmen.  Die Medienpolitik nervte mich mit ihrer  über jedes erträgliche Maß hinausgehenden inflationären Thematisierung der Corona Krise. Die Medien und Politik trugen durch pauschalisierende Verurteilung derjenigen, die die durch die Politik ergriffenen Maßnahmen kritisch hinterfragten, zu einem angeheizten Lagerdenken bei. Inzwischen hat sich gezeigt, dass lange nicht alle durch die Politik ergriffenen Maßnahmen zielführend waren und dass kritisches Hinterfragen durchaus berechtigt war (z.B. hinsichtlich der bildungspolitischen Folgen für die Schülergeneration). Ich vermisse eine Entschuldigung bei denjenigen, die für berechtigtes kritisches Hinterfragen diskriminiert wurden. (Ich betone hier für berechtigtes (!) kritisches Hinterfragen; meine also nicht diejenigen, die die Gefährlichkeit der Pandemie verharmlosten. Zum berechtigten kritischen Hinterfragen gehört auch die Ablehnung einer Corona-Impflicht. Die durch die Regierungspolitik betriebene Corona-Impflicht kann (und muss wohl auch) scharf gegeißelt  werden. Was aber gar nicht geht ist, dass Impfgegner die Impfpolitik der Regierung als faschistisch bezeichneten. Das ist eine gefährliche Verharmlosung des Faschismus.)

Sorge bereitet mir also unser politisches System, welches sich vorrangig an machtpolitischen und parteipolitischen Interessen orientiert  und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. Ich bin tief besorgt.

Wie bist du den unterschiedlichsten Situationen, wie mit den Maßnahmen umgegangen?

Sorge bereitet mir die Erkenntnis, das Corona noch nicht ausgestanden ist. Da sind zum einen die Long Covid Erkrankungen. In meinem Bekanntenkreis gibt es eine solche Long Covid Erkrankung und nach jetzigem Erkenntnisstand steht die Medizin diesem Phänomen ziemlich hilflos gegenüber. Hier unterstütze ich Initiativen des Gesundheitsministers für mehr Unterstützung Betroffener und in der Bereitstellung von Forschungsmitteln. Zum anderen bin ich nach wie vor hinsichtlich von Boosterimpfungen verunsichert. Impfschäden durch die Corona-Impfung dürfen nicht ausgeblendet werden und diejenigen, die sich mit Blick auf mögliche Impfschäden nicht impfen lassen wollen, dürfen nicht pauschal verunglimpft werden. Impfzwang bei Corona lehne ich ab. (Impfungen, nicht nur Corona-Impfungen, sind ein gesondertes Thema: „Ausgereifte“ Impfungen haben sich in der Medizingeschichte als ein Segen für die Menschheit herausgestellt. Die Coronaimpfung ist aus meiner Sicht (noch) nicht ausgereift. Ich bin für Impfungen, wenn diese „ausgereift“ sind; z. B. Impfungen gegen Masern. Ich bin gegen Impfpflicht bei „nicht ausgereiften“ Impfungen.  )

Wie ist deine Familie/ wie seid ihr als Familie miteinander in dieser Situation und mit dieser außerordentlichen Situation umgegangen?

Natürlich gab und gibt es auch in meiner Familie unterschiedliche, z. T. auch konträre Auffassungen und Meinungen zur Pandemie und den zu ergreifenden Maßnahmen. Wie oben schon gesagt, ist das objektiv der Ungewissheit geschuldet, die eine solche, für die Menschheit unbekannte, Pandemie mit sich bringt. Die so bedingten subjektiv unterschiedlichen Sichtweisen haben meine Familie nicht entzweit.

Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?

Wichtig ist es anderen zuzuhören und sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen. Dafür gibt es im Diskurs eine gute Strategie. Bevor ich in einer hitzigen Diskussion antworte, sollte ich für mich gedanklich die Argumentation meines Gegenübers wiederholen und erst dann antworten. Das hilft dabei, nicht aneinander vorbeizureden. … und wenn es gar zu arg wird, sollte man eine Nacht drüber schlafen.

Was über dein Land und die Gesellschaft, in der wir leben? Was denkst du heute über diese Zeit? Wie verhältst du dich gegenüber den neuen (alten) Krisen dieser Zeit?

Ich wiederhole mit Nachdruck: Über den Zustand unserer Gesellschaft bin ich zutiefst beunruhigt, Es dominieren kurzfristige parteipolitischen und machtpolitischen Interessen. Gesellschaftliche Visionen fehlen diesem, unserem Land. Das betrifft nicht nur den Zustand unserer Gesellschaft im Umgang mit der Pandemie, sondern insgesamt den Umgang mit den geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit (Krieg und Frieden, Rüstungspolitik  Klimapolitik, Migrationspolitik, Bildungspolitik, …) Es ist desaströs  was die Politik da liefert und es ist unverantwortlich, wie „Leitmedien“ (ARD, ZDF – um nur einige zu nennen) ihrer Verantwortung für eine unabhängige Berichterstattung nicht nachkommen. Ich distanziere mich ausdrücklich von denjenigen, die die Medien als Lügenpresse bezeichnen, kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass durch eine oft einseitige Berichterstattung und durch mediale Pauschalurteile tendenziös berichtet wird. Diese oft anzutreffende tendenziöse Berichterstattung, die einseitig dem Narrativ der Regierungspolitik folgt, halte ich für mehr als bedenklich.

 

Hannelore – 11. November 2023

Hannelores 2. Antwort

Krefeld, 11. November 2023

Liebe Nora,

ich bitte dich um noch ein wenig Geduld. Michael geht es nicht gut, er hatte gerade zum zweiten Mal Corona und rappelt sich nur sehr langsam. Ich selbst habe mit meinem Rheuma zu tun, das nasskalte Herbstwetter tut mir nicht gut. Ich melde mich, sobald es uns wieder besser geht.
Bis dahin sei gegrüßt
von Hannelore.

 

 

Noras Fragebogen – 3. November 2023

Noras Fragebogen

Pinnow, 3. November 2023

Liebe Hannelore,

meine Freundin Emma, die vor drei Jahren so ausführlich auf deinen Fragebogen geantwortet hatte, bat mich, ihr  auch dieses Mal einen Fragebogen zuzuschicken, an dem sie sich entlanghangeln kann. Ich denke, das könnte auch für deine Freunde und Bekannte erleichternd sein, um erneut Rückschau zu halten. Natürlich kann und darf aber auch jeder schreiben, wie es ihm die Feder (oder die Tastatur) diktiert. Ich freue mich über Rückmeldungen aller Ard(t).

Herzlichst
Nora.

 

Wie ging es dir in der CoronaZeit? Drei lange Jahre?

Wie hast du die CoronaZeit erlebt? Drei lange Jahre lang?
Was hast du gedacht, gefühlt, beobachtet?
Wie hat sich dein Denken, Fühlen und Beobachten über die drei Jahre verändert?
Wie hat Corona dein Leben beeinflusst? Beruflich? Familiär? Gesellschaftlich?
Was hat dich besorgt? Geängstigt? Geärgert?
Was hat dich gestärkt?
Wie bist du mit der Situation, den unterschiedlichsten Situationen, wie mit den Maßnahmen umgegangen?
Wie ist deine Familie/ wie seid ihr als Familie miteinander in dieser Situation und mit dieser außerordentlichen Situation umgegangen?
Wie prägte diese Zeit deine Freundschaften, deinen Freundeskreis?
Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt? Was über dein Umfeld? Dein Land und die Gesellschaft, in der wir leben?

Was denkst du heute über diese Zeit?
Wie würdest du dich aus heutiger Sicht in dieser Zeit verhalten?
Wie verhältst du dich gegenüber den neuen (alten) Krisen dieser Zeit?