„Wir werden einander viel verzeihen müssen“ – Jens Spahn, 22. Oktober 2022

Es braucht eine Aufarbeitung und viel Toleranz

Pinnow, 4. März 2024

Liebe Suse,

mein Schreibtisch ist rappeldicke voll, deshalb konnte ich dir bisher auch nur kurz per sms mitteilen, dass ich deine Frage absolut berechtigt finde. Nun will ich dir noch etwas ausführlicher darauf antworten.
Ich habe, wie ich dir schon schrieb, Kristinas Bemerkungen oder richtiger wäre es wohl, es Einteilungen zu nennen, mitbekommen. Im Nachhinein habe ich mich auch gefragt, ob ich nicht hätte intervenieren sollen und habe mich geärgert, dass ich es nicht getan habe. Jedenfalls nicht in dem Moment. Denn bei anderen Gelegenheiten habe ich sie bereits darauf angesprochen, allerdings immer erst im Nachhinein.
Kristina ist auch nicht die einzige, in meinem Freundeskreis, die so lauthals unterscheidet zwischen Menschen, die in Sachen Corona so denken, wie sie und ich und eben den anderen. Heute Morgen schickte mir meine Freundin Miriam eine Sprachnachricht – heute Abend gehen wir zusammen mit zwei von Miriams Bekannten zu einer Lesung ins Café. In ihrer Nachricht bereitete mich Miriam darauf vor, dass einer der beiden zwar geimpft, aber dennoch ein ganz toller sei.
Deine Mail im Hinterkopf dachte ich darüber nach, warum sie das tut, wofür das wichtig ist und mir fiel eine Situation ein, da war es wirklich wichtig. Es ging um ein Praktikum für Clara, diesen Platz musste sie unbedingt bekommen, du weißt, sie ging eine Zeit lang (u.a. wegen ihrer depressiven Coronaverstimmung,) nicht zur Schule. Um das zu legitimieren brauchten wir dieses Langzeitpraktikum. Der Praktikumsverantwortliche testete uns zum Auftakt mit einer (un)verfänglichen Plauderei, erfragte durch die Hintertür unseren Blick auf den Osten und auch auf Corona – da war es gut, bereits im Vorfeld zu wissen, wie er tickte, dass er auf beides anders schaute als wir (wobei Clara zu Ost-West gar kein Verhältnis hat) und ich diese heiklen Themen geschickt umschiffen konnte. In diesem Moment wollte ich einfach keine Konfrontation und keine Diskussion bei der es um richtig und falsch ging.

Ansonsten bin ich grundsätzlich frei raus mit meinem Denken. Und bisher meistens ganz gut damit gefahren. Ich glaube, nur so kann der Austausch gelingen, indem wir offen sind. Deshalb überlege ich auch, ob es nicht das Beste gewesen wäre, wenn du Kristina auf dein Unbehagen angesprochen hättest. Ich glaube, genau das braucht es.

Wenn ich weiter in mich reinhorche, merke ich, dass ich Kristinas und Miriams Verhalten aber auch nachvollziehen kann. Ganz in mir drin, erwische ich mich selbst dabei, dass ich mich frage, wie schaut der, wie schaut die gerade in die Welt? Und in dieses Gerade spielt Corona immer noch enorm hinein.
Wie zum Beispiel, das male ich mir manchmal aus, wird es sein, wenn ich einen Mann kennenlerne, der mir auf den ersten Eindruck hin gefällt? Für mich ist es absolut wichtig, zu wissen und zwar schnell, wie der auf all das, was in Zusammenhang mit Corona geschehen ist, schaut. Und auch, ob er geimpft ist. Meines Erachtens ist Corona noch lange nicht vorbei – da ist ein ähnlicher Blick, eine ähnliche Haltung für mich immens vordergründig.
Hinzu kommen die Ausgrenzung und der Schmerz, die Kristina, Miriam und ich während der CoronaZeit erfahren haben. Vermutlich kannst du das gar nicht nachvollziehen? Und ganz ehrlich frage ich mich, ob du das Ausmaß dessen eigentlich mitbekommen hast? Ich erinnere mich noch an ein Telefonat, in dem du mir stolz erzähltest, dass du mit deinem Impfpass wedelnd in die Alle-Arkaden spaziert bist. Schon in dem Moment fragte ich mich, ob dir eigentlich bewusst ist, dass ich dort nicht reinspazieren darf. Wie auch in keinen anderen Laden (von Supermärkten abgesehen), in kein Theater, in kein Restaurant und kein Café.

Ja liebe Suse, es braucht unbedingt eine Aufarbeitung und enorm viel Toleranz. Wir müssen darüber reden. Deshalb finde ich deine Frage wichtig. Trau dich, sprich Kristina an. Wolltest du dir nicht eh die Haare von ihr schneiden lassen? J

Fühl dich umarmt,
Nora.

 

 

 

Der Austausch wächst

DAS will doch kein Mensch mehr hören

Schwedt, 28. Februar 2024

Liebe Nora, das will doch kein Mensch mehr hören – ich kann ihn förmlich sehen, den stillen Ausruf in den Köpfen der meisten Menschen, wenn das Thema Corona auftaucht. Sie haben recht damit, aber warum? Für mich liegt das auf der Hand. Corona hat uns alle überfordert.

Vor vier Jahren fragtest du Hannelore: „…jetzt über Corona schreiben, hältst du das für eine gute Idee? Wofür? Was willst du damit? Ich bin ein bisschen vorsichtig geworden. Es ist nicht mehr ganz einfach, offen seine Meinung zu sagen.“

Vor vier Jahren war diese Äußerung hoch brisant und heute ist sie es immer noch, sogar um einiges brisanter.
Wir kennen das vom Wachstum. Ein Kind, ein junger Baum, beide können nicht immer nur in die Höhe wachsen. Irgendwann ist Schluss damit. Genauso ist es in der Wirtschaft, auch wenn den Menschen seit dem „Wirtschaftswunder“ im Westen und den Ostdeutschen nach der Wende immer etwas anderes eingeredet, eingebläut worden ist – immer weiter, immer höher, immer schneller. Nein! Aber ich will beim Thema bleiben. Fest steht, nichts wächst ewig in die Höhe, alles findet irgendwann seine natürliche Grenze.
So ist es auch mit der Wut und der Hilflosigkeit, die sich seit Corona breit gemacht haben. Selbst für die Gleichgültigkeit trifft das zu. Irgendwann ist eine Grenze erreicht – entweder in Form einer Implosion (die ist vielfach zu erleben – um wieviel ist die Depressionsrate gestiegen?) oder einer Explosion und die ist gefährlich, denn sie könnte sich vielleicht nicht kontrollierbar selbstständig machen.
Auf die Stunde Null, so nenne ich sie jetzt mal, die Stunde, die mit Corona begann, folgten aus „heiterem Himmel“ immer neue Ereignisse. Mehr noch, eins löste das nächste ab, überholte das letzte und vorletzte und alle überrollten uns und überrollen immer weiter. Corona, die Ukraine, Nordstream, Palästina, der Jemen. Was kommt als Nächstes? Ganz abgesehen von unserer Innenpolitik.
Als Beobachter könnte man ein System dahinter vermuten. Vermuten klingt besser als Theorie und System besser als Verschwörung. Vielleicht wird man sich später einmal sagen: „Sieh an, einige wollten, andere konnten den Plan dahinter nicht erkennen. Viele wurden von Wenigen darauf hingewiesen aber die sahen weg und glaubten nur, was in ihrer Zeitung stand“.

Will man Corona aufarbeiten, muss man all das im Zusammenhang sehen. Die Zeiten in denen man sich zweimal überlegt, was oder wie man es sagt, sind seit Corona nicht vorbei, sondern sind gefährlich gewachsen. Meinungsfreiheit läuft Gefahr ein verbotenes Wort zu werden, ebenso wie das Wort Wahrheit. Und dass der Mensch all dessen überdrüssig wird, ist normal.
Damit die Menschen ins Sehen, ins Verstehen und schließlich ins Handeln kommen, denke ich, müssten sich die Verschnaufpausen-Intervalle weiter dramatisch verkürzen, müsste noch schneller überrollt und die Maße des Erträglichen überschritten werden.
Aber die Aufklärung ist so unglaublich zähflüssig, dass sich Kant oder Lessing, würden sie heute leben, vor Ungeduld vermutlich schon die Fingernägel bis zum Handgelenk abgebissen hätten.
Nora, meines Erachtens steht sehr viel, wenn nicht sogar alles auf dem Spiel. Corona-Überforderung, Medienüberflutung hin oder her, man muss sich beschäftigen und das System hinter allem erkennen. Wir müssen das große Ganze betrachten und uns nicht in Details verlieren. Die Erkenntnisse müssen unermüdlich kommuniziert und diskutiert werden. Mit diesem offenen Brief für deinen Blog fange ich damit mal an.
Beste Grüße, Paul.

 

Jo-Papa ist müde

Vom Kampf gegen Windmühlen

Berlin, 26.2.2024

Liebe Nora,

Eigentlich bin ich müde gegen die Windmühlen dieser kaputten Welt anzugehen. Ja ich war vorgestern (24.2.24) auf der Friedensdemo vor dem Bundeskanzleramt, so wie ich seit  Jahren auf nahezu allen Friedensdemos in Berlin war. Krieg oder Frieden – das ist für mich die existentielle Frage der Menschheit. Wir stehen nur ein paar Schritte vor dem Abgrund und mit der, durch die Regierungspolitik und durch große Teile der Medien entfachten, Kriegshysterie nähern wir uns diesem Abgrund bedenklich. Da du diesen Briefwechsel auch als Zeitdokument ansiehst, möchte ich in Erinnerung rufen:

  • Die Außenministerin Annalena Baerbock sagte Anfang  2023 vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg: „Ja … wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“

 

  • Der Verteidigungsminister fordert „Wir müssen kriegstüchtig werden“

 

  • Die FDP Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages Agnes Strack-Zimmermann rief kürzlich auf „Zusammen bis zum Sieg“

 

  • Der CDU-Politiker und Mitglied des Deutschen Bundestages Roderich Kiesewetter forderte vor ein paar Tagen „Der Krieg muss nach Russland getragen werden“.

 

Wo sind in Deutschland die Politiker geblieben, die sich nicht für den Krieg, sondern für den Frieden verantwortlich fühlen?
Wo sind die Politiker geblieben, die wie seinerzeit Helmut Schmidt nach dem Maxime handeln  „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen“?
Wo sind die Politiker geblieben, die sich wie Altbundeskanzler Gerhard Schröder  während des völkerrechtswidrigen Irakkrieges der USA 2003, dem Drängen der USA widersetzen und sich nicht an Kriegen beteiligen?
Ich rufe übrigens in Erinnerung, dass die USA diesen Krieg mit einer Lüge über angeblich existierende Massenvernichtungswaffen, die es nie gab,  begründeten. Meine Skepsis gegenüber der USA-Politik resultiert u. a. aus dieser Lüge, denn wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Ich jedenfalls glaube den USA nicht.

Statt Kriegshysterie wünsche ich mir Friedensdiplomatie. Friedensdiplomatie setzt allerdings voraus, dass man diese elendige Schwarzweißmalerei, mit der sowohl die Politiker als auch die Mainstreammedien agieren (und manipulieren),  überwindet und hinterfragt, ob man selbst tatsächlich dem Reich des Guten angehört  und man die Russen zurecht im Reich des Bösen ansiedelt.

Wie nur soll dieser gordische Knoten des „Gut und Böse Denkens“ überwunden werden?

Die Russen sehen sich nicht als das Reich des Bösen, wohl aber sieht der Westen das so.
Der Westen sieht sich als das Reich des Guten. Die Russen sehen das ganz anders.
Was hilft?
Helfen tut da wohl nur ein Blickwechsel, wenigstens der Versuch, sich in die Sichtweise des jeweils anderen zu versetzen.

Ich übe es permanent.
Momentan lese ich ein Buch von Valentin Falin. Falin war in den 1970-er Jahren sowjetischer Botschafter in Bonn. Mit Blick auf den 2. Weltkrieg und mit Blick auf seine Familiengeschichte schreibt er: „Zählt man die Angehörigen meiner Frau hinzu, ergibt sich, dass von den 27 Millionen sowjetischer Bürger, die der Hitler-Invasion zum Opfer fielen, 27 Menschen mit mir verwandt oder verschwägert waren.“
27 tote Familienangehörige infolge des barbarischen Angriffskrieges Hitlerdeutschlands auf Russland – welch ein Trauma. Aus diesen Erfahrungen heraus und aus vielen Nachkriegsereignissen erwuchs das russische Sicherheitsbedürfnis.
Die NATO hat mit ihrer Osterweiterung dieses historisch bedingte Sicherheitsbedürfnis der Russen sträflich ignoriert. Die Russen haben mit ihrer Geschichte einen anderen Blick auf den Westen als dieser auf sich selbst. Das zu ignorieren ist ahistorisch, unverantwortlich und dumm.

Umgekehrt haben insbesondere Polen und die Baltischen Staaten ihren historischen Blick auf die UdSSR und auf die Russen. Ich nenne hier als Beispiel das verbrecherische Massaker der Russen im April 1940 bei dem 4400 polnische Kriegsgefangene erschossen wurden – ein Trauma für die Polen. Aus diesen historischen Erfahrungen resultiert das polnische Sicherheitsbedürfnis gegenüber den Russen.

Solche wechselseitigen Sicherheitsbedürfnisse zu ignorieren und umzuinterpretieren ist gefährlich und zeugt von einer gewollten oder ungewollten Arroganz der Politiker. Ich spreche bewusst davon, dass das Sicherheitsbedürfnis der Russen vorsätzlich in Aggressivität uminterpretiert wird. Pausenlos wird uns erzählt, dass die Russen erst die Ukraine, dann die Baltischen Staaten und dann den Westen angreifen wollen. Für wie blöd und selbstmörderisch hält man die Russen eigentlich.

Leider machen die Russen es einem nicht einfach zwischen Sicherheitsbedürfnis und Aggressivität zu unterscheiden. Ich selbst hätte nie erwartet, dass Russland die Ukraine militärisch angreifen würde. Dieser Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein verbrecherischer Krieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Er ist aber ein Krieg, für den auch der Westen und die NATO eine Mitverantwortung tragen, weil der Westen und die NATO das historisch bedingte  Sicherheitsbedürfnis Russlands ignorierte.

Ich bin für Friedensverhandlungen statt für Kriegshysterie.

Friedensverhandlungen setzen allerdings die Bereitschaft voraus sich in die Denkweise des jeweils anderen zu versetzen und nach Kompromissen zu suchen. Ohne Kompromisse wird es nicht gehen.

Fehlt diese Bereitschaft zu Kompromissen steuert die Menschheit auf einen 3. atomaren Weltkrieg zu und wird untergehen. Untergehen werden dann auch all diejenigen, die Taurus-Marschflugkörper und Dark Eagle-Hyperschallraketen für die Ukraine fordern. Wer Krieg nach Russland tragen will (Roderich Kiesewetter) wird den Krieg nach Deutschland tragen.

Vielleicht noch folgenden Gedanken, den ich nur anreißen möchte. Deutsche Politiker (u.a. Finanzminister Lindner von der FDP) fordern Deutschland mit immer mehr Rüstungsausgaben kriegstüchtig zu machen. Lindner fordert dazu eine dauerhafte Erhöhung des Rüstungshaushalts und ein mehrjähriges Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen. Kurz er fordert ein Einfrieren der Sozialausgaben, was nichts anderes ist als die Forderung nach Kürzung der Sozialleistungen. Das gefährdet den sozialen Frieden und ist eine – ich formuliere es drastisch- soziale Kriegserklärung.

Beste Grüße an dich

dein Jo-Papa.

Lest, was Jo-Papa zuletzt schrieb.

Geht´s noch Frau Strack-Zimmermann?

Unser deutsches Leben

Pinnow, 25. Februar 2024

Lieber Jo-Papa,

was ist das denn für ein skurriles Foto, dass du auf Facebook geteilt. Ich bin fassungslos. Unverfrorener kann man ja wohl nicht zum Ausdruck bringen, wohin die Reise gehen soll. „Taurus für die Ukraine – Zusammen bis zum Sieg!“ Geht’s noch Frau Strack-Zimmermann? Papa, wohin geraten wir? Wohin sind wir schon geraten? Mich überläuft ein kalter Schauer.

Gestern sah ich im Schlossparktheater das Stück „Ein deutsches Leben“ – da schallte Göbbels „Wollt ihr den totalen Krieg?“ durch den Saal. Und dann die tausendfache Antwort. Sind wir wieder soweit?
Ich nicht. Ich habe gerade gegoogelt – Frau Strack-Zimmermann hat zwei Söhne – wie kann man als Mutter den Krieg unterstützen? Und – liege ich falsch, wenn ich vermute – sogar wollen?

Unlängst sprach ich mit meiner Freundin Barbara über dieses bevorstehende – oder hat es schon begonnen? – Nato-Manöver „Quadriga“. Barbara hatte noch nichts davon gehört. Ich  sagte ihr, wie schrecklich ich das finde, das größte Manöver seit der Wende und bis direkt an die Grenzen Russlands. Barbara schaut, für mich nicht nachvollziehbar, ganz gelassen darauf, findet es sogar richtig, direkt „an der Grenze des russischen Bären seine Muskeln spielen zu lassen“.

Während  ich hier schreibe, schüttele ich die ganze Zeit den Kopf. Wie blauäugig kann man eigentlich sein? Barbara hat auch einen Sohn. Anders als die Söhne von Straack-Zimmermann würde der im Falle eines Krieges, definitiv kämpfen müssen. Das ist doch so was von verblendet. Warum bekommen die Leute nicht mit, was hier gespielt wird? Wie sie benutzt und manipuliert werden. Die Wehrpflicht steht im Raum. Und danach? Die Mobilmachung. Ohne mich. Aber was können wir tun?
Warst du gestern bei der FriedensDemo in Berlin? Bitte sage mir, dass ganz viele Menschen dort waren, mindestens so viele wie auf den Demos gegen rechts!!! Das wäre ein Hoffnungsschimmer.

Ich hoffe, dass sich auch viele „Ein deutsches Leben“ anschauen. Gestern war das Theater fast ausverkauft. Im Anschluss hätte ich die Zuschauer gerne gefragt, was sie mitgenommen haben – für heute? Das Stück ist so vielschichtig. Es erzählt das Leben von Brunhilde Pomsel, Jahrgang 1911 bzw. Brunhilde Pomsel erzählt selbst, im Alter von 102 Jahren wie sie erst für einen jüdischen Rechtsanwalt und dann als Sekretärin für Joseph Goebbels gearbeitet hat.
Philip Tiedemann, der das Stück inszenierte, sagt u.a.: „Hitler mag tot sein, aber Goebbels lebt! Seine Reinkarnation sehen wir in den USA oder Brasilien, in England und Ungarn, in Russland, in der Türkei… – und in Deutschland?“ Dieter Hallervorden, der Intendant des Theaters spricht ganz deutlich von einer Parallele zur AfD. Meine große Hoffnung ist, dass die Menschen auch die Parallelen zu all dem anderen sehen, das in Deutschland und der ganzen Welt gerade komplett schief läuft – dieses Kriegsgeheul, die Manipulation durch die Medien, die Spracheinengung und was da noch alles läuft. Es ist so viel.

Papa, ich genieße jetzt den Sonntag. Die Sonne scheint. Ich nehme das als gutes Omen.
Wir kämpfen weiter!
Liebe Grüße, deine Nora.

PS: Wer ist eigentlich dieser Urs Dürrkopf, der sich an jedem deiner Facebookeinträge so abarbeitet?

 

 

 

Quelle für das Beitragsfoto: Die ukrainische Abgeordnete Yevheniia Kravchuk postete am 17. Fenruar 2024 auf X (vormals Twitter) ein Foto, auf dem sie neben Strack-Zimmermann zu sehen ist.

 

 

Barbara macht sich ein Bild

Fragen stellen unerwünscht

Berlin, 21. Februar 2024

Halleluja liebe Nora,
da habe ich ja was losgetreten. So eine harmlose Frage… Ich danke dir für deine Gedanken dazu. Um mir ein umfassendes Bild zu machen und mir dann meine Meinung zu bilden, habe ich dieselbe Frage gestern am Kollegen-Stammtisch aufgeworfen. Da wir sonst meist im Homeoffice arbeiten, hatten wir uns noch nicht dazu ausgetauscht.
Du glaubst es nicht, alle, aber wirklich alle, waren total entrüstet, wie ich es wagen kann, solch eine Frage stellen. Dann habe ich auch noch erzählt, was du mir geantwortet hast. Auweia Nora, du kannst dir nicht vorstellen, was da abging. Keine Sorge, deinen Namen habe ich nicht erwähnt, aber ich habe jetzt echt ein Gefühl dafür, was mit Kontaktschuld gemeint ist. Wenn ich daran denke, kriege ich gleich wieder Schweißausbrüche – die habe ich ja permanent, dieser hier  allerdings hat definitiv nichts mit den Wechseljahren zu tun.
Um irgendwie aus der Sache rauszukommen, habe ich mich aufs Fragen verlegt, ich wollte einfach nachhaken, ich habe ja tatsächlich keine Ahnung. All das, was hier und auf der ganzen Welt gerade abgeht, ist mir echt zu viel, da steigt doch kein Mensch mehr durch.
Aber Fragen sind auch falsch, mir wurde vorgeworfen, die benutze ich doch nur als  Deckmantel, um antidemokratische und menschenverachtende Denkweisen salonfähig zu machen. Wenn ich das jetzt aufschreibe, bleibt mir glatt nochmal die Spucke weg. Ich als Linkswählerin. Irgendwann habe ich die Reißleine gezogen und verkündet, unbedingt selbst auf die nächste Demo zu gehen, schließlich bin ich ganz klar und definitiv gegen Nazis. Aber das eigentlich war ja meine Frage: Geht es wirklich nur gegen Nazis?
Gut, ich werde mir das anschauen. Dann weiß ich mehr. Hast du eine Ahnung, wann und wo die nächste Demo ist?
Wie sich die Situationen wiederholen – weißt du noch, als wir zu Corona und zur Impfung unterschiedliche Meinungen hatten? Damals hattest du mir empfohlen, mir diese Querdenker-Demos anzuschauen, danach war ich wirklich schlauer. Es bleibt spannend.
Liebe Grüße aus der Mittagspause,
Barbara.